Wohngemeinschaft Noemi: Über Sprach- und Kochbarrieren zur gelungenen Integration
Zwischen 14 und 18 Jahre sind die unbegleiteten Minderjährigen, welche aus Krisenregionen wie Syrien, Somalia und Afghanistan nach Österreich flüchtetenden und jetzt in der WG in ein neues Leben starten.
WIEDEN. MARGARETEN. Zehn Burschen, acht Sprachen und alles unter einem Dach. In der Wohngemeinschaft "Noemi" des Don Bosco Flüchtlingswerks trifft afghanischer Reis auf Wiener Schnitzel und Deutsch-Neuling auf österreichische Dialektvielfalt. Mit einigen festen Grundregeln, aber viel Raum für Individualität leben hier zehn junge, unbegleitete Flüchtlinge im Alter von 14 bis 18 Jahren in einer WG zusammen. Nach dem Vorbild des Ordengründers Johannes Bosco steht Bildung im Zentrum der Einrichtung. Neben sieben Betreuungspersonen, welche rund um die Uhr anzutreffen sind, sind es vor allem Freiwillige, welche sich in der Einrichtung miteinbringen.
"Um Bildung dreht sich alles", erklärt Leiterin Regina Schmid. Dabei sei es vor allem ein "voneinander lernen", welches im Mittelpunkt der Wohngemeinschaft steht. Das beginnt beim gemeinsamen Kochen und geht bis hin zur Mathe-Nachhilfe. Einmal wöchentlich kommt die ganze WG zusammen, im Gruppenmeeting bespricht man neue Projekte oder diskutiert über ganz spezifische Themen. Die Jugendlichen, die meisten von ihnen aus Krisenregionen, wie Afghanistan, Syrien, Somalia oder dem Sudan, absolvierten so zum Beispiel bereits einen Erste-Hilfe-Kurs oder informieren sich über die Hintergründe bestimmter Feiertage in Österreich.
"Jeder hat Angst vor Deutsch"
Neben den verschiedenen kulturellen Hintergründen ist es vor allem die Sprachbarriere, die zunächst einmal überwunden werden muss. Gesprochen wird in der WG in Deutsch. Da sowohl die Bewohner als auch die einzelnen Betreuer aus unterschiedlichsten Ländern kommen und somit auch mit unterschiedlichsten Sprachen vertraut sind, sei Deutsch ohnehin "die einzig verbindende Sprache", so die Leiterin. "Jeder hat Angst vor Deutsch", schmunzelt Bewohner Santos. Aus Afghanistan flüchtend ist er vor knapp zweieinhalb Jahren in die Noemi WG eingezogen. Deutsch ist mittlerweile kein Problem mehr, nur mit den Dialekten gerate er manchmal noch etwas ins Schleudern. Vor allem mit Freunden aus Tirol sei das nicht immer ganz so einfach, lacht der 17-Jährige.
"Am Anfang ist es schwierig mit der Kultur, aber ich habe mich daran gewöhnt", so Santos. Als er hier ankam, habe er sich einen Monat erstmal nur von Humus ernährt, typisch afghanische Lebensmittel waren nur schwer zu finden. Mittlerweile hat er nicht nur Läden mit Lebensmitteln aus seiner Heimat gefunden, seitdem er in die WG eingezogen ist, habe er auch Kochen gelernt. Sogar Schnitzel oder Knödel seien mittlerweile kein Problem mehr, so der 17-Jährige. Derzeit besucht Santos noch das Gymnasium, "nach der Matura habe ich ein sehr großes Ziel", erklärt er. Medizin wolle er studieren, das Absolvieren der Matura sei deshalb nur eine erste Hürde.
"Ehrenamtliche spielen eine große Rolle"
Zehn bis zwölf Freiwillige kommen aktuell regelmäßig in die WG, bieten Nachhilfe in unterschiedlichen Fächern an oder helfen Neuankömmlingen, sich in der Stadt zurecht zu finden. "Ehrenamtliche spielen eine große Rolle, sie sind eine wichtige Stütze im Alltag", erklärt Leiterin Schmid. Dabei ist man bedacht darauf, die Hürden für Ehrenamtliche so gering wie möglich anzusetzen. Ein gemeinsamer Kochabend zum Beispiel kann Spaß machen und es bedarf keiner speziellen sozialpädagogischen Ausbildung.
Zur Sache
Die Agenda Wieden bietet in einigen sozialen Institutionen im 4. und 5. Bezirk ein Ehrenamt an. Dazu zählt auch die WG Noemi. Alle Infos zum Don Bosco Flüchtlingswerk auf www.fluechtlingswerk.at, alles über ehrenamtliche Arbeit auf www.agendawieden.at
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