"Projekt Europa ist in Gefahr"
Tiroler EU-Abgeordnete berichtet über globale und regionale Herausforderungen der Europäischen Union.
BRÜSSEL/TIROL (mel). Beim Gedanken an das Europäische Parlament kommen einem meist unweigerlich Gurkenkrümmung, Bürokratie und Glühbirnennormen in den Sinn. Abseits von "europäischen Lösungen" werden dort aber auch lokale Probleme an der Wurzel gepackt. "Ob sektorales Fahrverbot oder Brennergrenze – die EU ist überall, auch in Tirol", erklärt die Tiroler EU-Mandatarin Karoline Graswander-Hainz.
Regionaler, als man denkt
So sind im Europaparlament etwa auch der flächendeckende Ausbau von Breitbandinternet oder Busanbindungen in abgelegene Ortschaften im Gespräch. Mit dem befasst sich in erster Linie die EUSALP Alpenraumstrategie, in der Deutschland, Italien, Österreich, Frankreich, Slowenien sowie die Nicht-EU-Mitglieder Schweiz und Liechtenstein vertreten sind. Gemeinsam will man die ländlichen Regionen stärken sowie die Chancen und Nachteile des Alpenraumes aufzeigen.
"Die EUSALP befindet sich gerade im Aufbau, und wir hoffen, dass Landeshauptmann Günther Platter den Vorsitz bekommt", verrät die Abgeordnete. Ziel sei es, bereits vorhandene Mittel besser zu verteilen und dem ländlichen Raum auch in Brüssel Gehör zu verschaffen. "Die wissen nicht, welche Probleme wir haben", so Graswander-Hainz. Deshalb sei für den Sommer auch ein Delegationsausflug nach Tirol geplant, damit sich die Mandatare vor Ort ein Bild machen können.
Sektorales kommt im Herbst
Auf den dritten Versuch der Tiroler Landesregierung, das sektorale Fahrvebot auf der Inntalautobahn durchzusetzen, sagt Graswander-Hainz: "Ich verstehe den Antrag, und es ist wichtig, dass der Schwerverkehr auf die Schiene verlegt wird." Ab Herbst soll das Fahrverbot für bestimmte Lastwagen stufenweise wieder eingeführt werden, derzeit laufen noch juristische Prüfungen. "Eine Strafe würde ich aber nicht nochmal riskieren, das wäre der falsche Weg."
Abschotten sei keine Lösung
Auch die Grenzzaun-Debatte am Brenner ist immer wieder Thema in Brüssel. Die Oberländer Abgeordnete sieht hier vor allem die Euregio gefordert: "Wir haben ein konkretes Problem, und Zusammenhalt ist mehr denn je gefragt. Diese bereichernde überregionale Arbeit kann doch nicht an etwas scheitern, das man gemeinsam lösen könnte."
"Alltag" nach dem Terror
Die Imsterin ist seit Sommer 2015 Abgeordnete für die S&D-Fraktion (SPÖ). Sie und 750 andere Mandatare des Europaparlaments beschließen in Brüssel und Strassburg maßgebliche Ausrichtungen der EU-Politik. Seit den Terroranschlägen vor knapp über einem Monat ist im "Herzen Europas" mittlerweile wieder normales Leben eingekehrt. Die Kontrollen wurden verschärft, sowohl im Parlament als auch am Flughafen gibt es gründliche Checks, bewaffnete Soldaten sollen zusätzliches Sicherheitsgefühl vermitteln. "Wir dürfen uns nicht verrückt machen, sonst haben die Terroristen genau das erreicht, was sie wollen", so Graswander-Hainz.
Solidarität oberstes Gebot
Die Arbeit im europäischen Parlament empfindet die Oberländerin als "spannend und vielseitig". Da die europäische Union von immer größeren Krisen gebeutelt ist, sei die Verantwortung der Abgeordneten größer denn je. Dabei seien vor allem in der Flüchtlingskrise Solidarität und Zusammenhalt aller Staaten gefragt. "Es ist bedenklich, dass viele Mitgliedsstaaten so wenig Bereitschaft zeigen. Das Projekt Europa ist in Gefahr und es bedarf viel Arbeit, um es weiter leben zu lassen", bringt es Graswander-Hainz auf den Punkt.
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