Die Freude der Liebe

Die Freude der Liebe, die in den Familien gelebt wird, ist auch die Freude der Kirche. | Foto: Vatikan (Titelbild des Apostolischen Schreibens)
  • Die Freude der Liebe, die in den Familien gelebt wird, ist auch die Freude der Kirche.
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- "AMORIS LÆTITIA" ermutigt zu Liebe und Verantwortung -

Ganz ehrlich: Die Katholische Kirche war selten spannend in den letzten Jahrzehnten - verbohrt, zum Ärgern, altmodisch, strikt...ja - aber interessant oder gar spannend. Die Sackgasse für jeden Dialog in den letzten zwanzig Jahren führte zu oft an die Mauer amtierender Bischöfe. Die Interpretation des Gehorsams gegenüber dem Papst und der inneren Verpflichtung gegenüber der Doktrin entpuppten sich immer wieder als Diskussionskiller. So endeten Revolutionsansätze gläubiger Laien und kritischer Theologen als zerstörerische Rohrkrepierer und ernsthafte Überlegungen wurden vom Amt mit dem Katechismus oder der Tradition zerschlagen. Daraus resultierende Verhärtungen und Verletzungen haben die Kirche viel Ansehen, Interesse und Mitglieder gekostet.
Ein anderer Stil in Umgang und Wortwahl lässt nun aufmerksam werden. Seit letzten Freitag ist in der katholischen Kirche eine Mischung aus Optimismus und neuer Gesprächsbereitschaft spürbar. Ein umfangreicher Papstbrief ist der Grund. Seinem nachsynodalen Schreiben gibt Franziskus die Überschrift:

„´Die Freude der Liebe´, die in den Familien gelebt wird, ist auch die Freude der Kirche."

Der Eröffnungssatz macht deutlich, dass der Papst sich ganz und gar an den Gedanken und der Richtung des II. Vatikanischen Konzils (Gaudium et spes) orientiert und diese mit der Bischofssynode weiter denken und entwickeln will.
Wer das Schreiben aus Rom überfliegt, wird sich zurück lehnen und zunächst feststellen, dass die Revolution nicht stattfindet.
Wer in Ruhe – Stück für Stück – den Text liest, die Zitate, Fußnoten und scheinbaren Nebensätze aufnimmt, der entdeckt das Potential der päpstlichen Überlegungen.
Nach eingehender Befragung der Gläubigen in der ganzen Welt, nach den – manchmal zähen - Debatten und dem unvoreingenommenen Ringen in der Bischofssynode rückt dieser Papst nicht die Autorität der Lehre, sondern die Kraft der Liebe und Barmherzigkeit in den Mittelpunkt seiner Antwort.
Erinnert an eine Diskussion vor fast 25 Jahren, in der ein Arzt der Kirche vorwarf, dass sie Sexualität und Ehe mit so viel Lametta und „Edlem“ behänge, dass sie völlig wirklichkeitsfremd geworden sei, schreibt Franziskus nun eine Antwort: Angesichts der von Gott gegebenen Geschichtlichkeit des Menschen und der Umwege, die Familien zurücklegen, müsse man damit "aufhören, von den zwischenmenschlichen Beziehungen eine Vollkommenheit, eine Reinheit der Absichten … zu verlangen, zu der wir nur im endgültigen Reich finden können. Es hält uns auch davon ab, jene hart zu richten, die in Situationen großer Schwachheit leben."
In seinen Ausführungen wird deutlich, dass sich dieser Papst nicht benutzen lassen will zum unnötigen „Politisieren“ in der Kirche. Er ruft die Profis in seiner Kirche in die Verantwortlichkeit des Hirtendienstes, dessen erste Frage an den Menschen sein muss:

„Was willst du, dass ich dir tun soll“ (Mk 10, 51).

Diese einfühlsame Jesus-Frage gilt auch innerhalb der Familie, dem Hort der Liebe und der Mensch-Werdung.
In unübertroffener Weise nimmt das Kirchenoberhaupt die Schönheit und Freude der Liebe und die Wertschätzung der Familie und deren Position in der Kirche in den Blick und ermutigt.
Der moralische Zeigefinger der Kirche weicht einem behutsamen Streicheln der Verletzten und der Schlag mit dem Katechismus einer liebevollen Einladung zur gemeinsamen Entdeckungsreise in der Kraft des Evangeliums.
In der vergangenen Woche ist etwas Epoche machendes in der katholischen Kirche geschehen. Mit dem nachsynodalen Dokument über „die Freude der Liebe“ ist der Katholizismus bei den formulierten Idealen des letzten Konzils angekommen. Allerdings reißt der Papst nicht Fenster und Türen der Kirche planlos oder euphorisch auf, so dass der Luftzug alles durcheinander wirbeln und umwerfen könnte. Nein – er öffnet sehr überlegt und behutsam erst einmal ein Fenster, dass über Jahre ängstlich verschlossen war und er lädt quasi ein, tief durchzuatmen und dann zu schauen, wie das Angesammelte auf den Schreibtischen so verantwortlich abgearbeitet werden kann, dass in der Kirche die Offenheit bewahrt, - ja - um des Menschen willen erweitert werden kann.

Der Papst gibt Raum für ein Weiterdenken, für Dialog und Entwicklung, für ein gemeinsames schrittweises Entdecken des Lebens als Glaubensweg in Wahrheit und Liebe.

Es hat wohl lange nicht mehr so viel Freude gemacht, „katholisch“ zu sein. Franziskus weist neue Wege in einer neuen Sprech- und Sichtweise und er lädt zur liebevollen, pastoralen Mit-Sorge und zur lebendigen Verantwortung nach vorne ein. Während so manch anderer meint(e), den Glaubensschatz der Kirche ängstlich schützen zu müssen vor der "bösen" Welt, ist Franziskus bereit ihn verschwenderisch mit der Menschheit zu teilen, im gläubigen Vertrauen, dass er nur so lebendig bleiben kann und wächst.

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