Bilanz: Arbeiterkammer holte für St. Pöltner knapp 7,4 Millionen Euro
Arbeitsrechtliche Vergehen im St. Pöltner Gastgewerbe hoch im Kurs. AKNÖ-Präsident Wieser fordert vom Gesetzgeber, Verfallsfristen abzuschaffen.
ST. PÖLTEN (jg). Zweieinhalb Jahre arbeitete ein ungelernter Koch in einem St. Pöltner Gastronomiebetrieb. Den Lohn dafür bekam er bar auf die Hand, als er krank wurde, erfolgte die Kündigung. "Aus seinen Unterlagen ging hervor, dass er nur dann Lohn erhielt, wenn er auch tatsächlich arbeitete. Er bekam während des Urlaubs und während des Krankenstandes keinen Lohn, keine Feiertagszuschläge, kein Weihnachtsgeld, kein Urlaubsgeld", berichtete Arbeiterkammer-Bezirksstellenleiter Andreas Windl anlässlich einer Pressekonferenz zum Thema Arbeitsrecht in St. Pölten.
Wieser: Verfallsfristen generell abschaffen!
Hinsichtlich geltender Verfallsbestimmungen hatte der Koch im geschildeterten Fall Glück im Unglück": Die Arbeiterkammer erstritt offene Gehaltsansprüche in Höhe von 39.000 Euro brutto. Einerseits sieht der Kollektivvertrag für das Gastgewerbe nur für einen Teil der Forderungen Verfallsfristen vor, andererseits trat dadurch, dass keine Lohnabrechnungen ausgehändigt wurden, kein Verfall ein.
"Wegen der Geltung von Verfallsfristen konnten viele niederösterreichische Arbeitnehmer ihnen zustehende Ansprüche nur für einen kurzen Zeitraum einfordern – auch wenn sie über Monate oder gar Jahre zu wenig Geld bekommen haben", kritisiert Markus Wieser. Der AKNÖ-Präsident fordert daher vom Gesetzgeber, Verfallsfristen generell abzuschaffen, was Verbesserungen für Beschäftigte bei ausstehenden Ansprüchen, die in Kollektiv- und Einzelverträgen geregelt sind, bringen würde.
Arbeitsrechtliche Vergehen im St. Pöltner Gastgewerbe
Windl wählte den Fall des Kochs auch über das Problem der Verfallsfristen hinaus exemplarisch für den Bezirk St. Pölten, wo die Arbeiterkammer die meisten Fälle im Gastgewerbe verzeichnet. Gründe dafür sieht der Bezirksstellenleiter zum einen darin, dass im Gastgewerbe viele Personen mit Migrationshintergrund arbeiten, "die sich ungleich weniger gefallen lassen, als Kollegen, die hier aufgewachsen sind". Zudem gebe es im Gastgewerbe kaum innerbetriebliche, gewerkschaftliche Organisationen, die auf Einhaltung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen pochen würden.
Die Experten der Arbeiterkammer empfehlen für den Fall, dass es aufgrund arbeitsrechtlicher Vergehen zu einer Gerichtsverhandlung komme, alle Arbeitszeiten detailgenau und lückenlos zu dokumentieren. Ohne diese Vorsichtsmaßnahme seien Klagen oder Klagsdrohungen zwecklos. Andernfalls sind Beschwerden durchaus von Erfolg gekrönt: In St. Pölten forderte die AK im vergangenen Jahr für insgesamt 385 Arbeitnehmer ausstehende Löhne und Gehälter ein. Für die Arbeitnehmer des Bezirks konnten 920.358 Euro an Entgeltnachzahlungen erreicht werden. Weiters wurden 6,44 Millionen Euro für 920 Arbeitnehmer aus 49 insolventen Betrieben gesichert.
Bilanz der AK-St. Pölten für 2014 in Zahlen:
Persönliche Beratungen: 4.792
Telefonische und schriftliche Beratungen: 1.662
Inverventionen beim Dienstgeber: 385 Fälle
Kostenloser Rechtsschutz: 153 Fälle
Außergerichtlich eingebracht: 363.317 Euro
Gerichtlich eingebracht: 557.041 Euro
Insolvenzen: 6,438.811 Euro
Gesamtsumme: 7,359.169 Euro
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