Politbeben in Wien
O'Brien und weitere Bezirksräte treten aus SPÖ aus
Die SPÖ hat vier ihrer Bezirksräte am Alsergrund verloren, von denen nun drei ein freies Mandat annehmen wollen – darunter auch Claudia O'Brien, die über den Bezirk hinaus in der SPÖ als markante Polit-Persönlichkeit bekannt war. Vor allem der im Dezember bekanntgewordene Fall von sexueller Belästigung eines Parteimitglieds und dessen milde Rüge soll zum Austritt geführt haben.
WIEN/ALSERGRUND. Eigentlich war es eine Routinesitzung, als kürzlich der Finanzausschuss des Alsergrunds zusammentrat. Dieses politische Gremium ist für die Verwaltung der Gelder im Bezirk verantwortlich. Einigen Teilnehmenden fiel dabei etwas auf: vor der Vorsitzenden des Finanzausschusses, Claudia O'Brien, stand ein weißes Kärtchen. Sie ist – oder besser, war – aber immer SPÖ-Mitglied gewesen.
Als solches wäre ihr Kärtchen normalerweise rot gewesen, denn dies zeigt die Parteizugehörigkeit an. Das weiße Schild wies sie nun als freie Mandatarin aus. Spätestens da dämmerte es einigen Anwesenden, dass da etwas im Gange ist in der Alsergrunder SPÖ.
Vier Bezirksräte weniger
Tatsächlich haben die Roten kürzlich gleich vier Bezirksräte verloren, wie Christopher Maurer, Regionalsekretär der Bezirkspartei, bestätigt. "Dabei handelt es sich um Beatrix Kauf, Markus Delitz, Claudia O'Brien und Ludwig Riedl", so Maurer.
Vor allem auch der Abgang von O'Brien ist bemerkenswert, immerhin war sie die Klubvorsitzende der Partei im Bezirksparlament. Zudem war sie in der Bundes-SPÖ kein unbeschriebenes Blatt, war etwa von 2018 bis 2022 vier Jahre lang die Vorsitzende der Jungen Generation der SPÖ und galt als markante Nachwuchs-Politikerin. Nun ist sie mit den anderen drei Bezirksräten und Bezirksrätinnen aus der SPÖ ausgetreten. Dazu kamen noch einige weitere Parteimitglieder ohne Funktion.
Während Riedl sein Mandat in der Bezirksvertretung aber zurückgelegt hat - für ihn rückt am SPÖ-Ticket Anna Milian nach - werden die anderen drei Ausgetretenen ihre Mandate – Stand jetzt – behalten und als freie Mandatare und Mandatarinnen im Parlament bleiben. Das heißt: statt wie bisher 13 zählt die Alsergrunder SPÖ künftig nur mehr zehn Abgeordnete, gleich viele wie die Grünen. Dafür gibt es künftig drei weitere freie Mandatare im Parlament: Kauf, Delitz und O'Brien.
Längerer Prozess der Entfremdung
Diese Mandatare und Mandatarinnen sind derzeit noch nicht für eine Stellungnahme für die BezirksZeitung zu erreichen. Aus der Alsergrunder SPÖ ist aber zu hören, dass sich der Abgang schon länger abgezeichnet und es eine gewisse Entfremdung der abtrünnigen Abgeordneten von der Partei gegeben hätte; das persönliche Verhältnis wird zuletzt als schwierig beschrieben. Unter anderem kandidierte O'Brien etwa im Herbst 2022 für den Posten der Bezirksparteivorsitzenden. Die Wahl verlor sie gegen Martin Rendl – in der SPÖ wird gemutmaßt, auch die Enttäuschung darüber hätte nun zu den Austritten geführt.
Um inhaltliche Fragen dürfte es dabei aber weniger gegangen sein: dafür spricht zum Beispiel auch O'Briens letzter Auftritt im Bezirksparlament im Dezember, wo sie das Alsergrunder Bezirksbudget präsentierte und unter anderem gegen Kritik von den Grünen mit viel Leidenschaft verteidigte.
Sexuelle Grenzüberschreitungen in der SPÖ Alsergrund?
Der wahre Hintergrund für die Austritte ist daher wohl eher ein anderer, schwerwiegenderer Fall, der die SPÖ Alsergrund schon lange beschäftigt. Dabei geht es um das krasse Fehlverhalten eines männlichen Parteimitglieds, das unter anderem bei einem Grillfest im Mai 2019 eine Frau sexuell belästigt haben soll. Auch drei weitere Frauen meldeten sich darauf hin, die ähnliche Erfahrungen mit dem Mann gemacht haben dürften.
Eine Frau erstattete Anzeige. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wurde nach einem Jahr eingestellt, der Fall landete aber auch vor einem parteiinternen Schiedsgericht auf Landesebene. Dieses hätte die Person auch ausschließen können – doch dazu kam es nicht, obwohl dies aus Sicht der SPÖ Alsergrund angeblich das Ziel gewesen wäre. Stattdessen stellte das Schiedsgericht fest, dass "eine Rüge hinsichtlich der Schwere der sexuellen Übergriffe ausreicht", so die Partei in einer Stellungnahme.
Ein ungeeignetes Prozedere
Und hier liegt wohl der Knackpunkt: aus dem Umfeld der Ausgetretenen und von Ex-Parteimitgliedern heißt es, dass das Vorgehen der SPÖ in diesem Fall – gelinde gesagt – für viel Unmut gesorgt habe. Das Schiedsgericht sei auch für solche sensiblen Fälle eigentlich nicht geeignet.
Diese Einrichtung dient eher zur Beilegung von anderen Arten von Streitigkeiten in der Partei – etwa, wenn ein Mitglied einer Organisation angehört, die den Werten der SPÖ entgegen steht. Für Vergehen wie etwa im Fall einer sexuellen Belästigung, wo sich mutmaßliche Täter und Opfer plötzlich gegenüber sitzen und der Täter auch direkt Fragen an die Opfer stellen kann, sei das hingegen ein völlig untaugliches Instrument. Dass es am Ende des Tages für den mutmaßlichen Täter nur eine Rüge gab, obwohl das Landesschiedsgericht sexuelle Übergriffe feststellte, stieß auf großes Unverständnis bei vielen Mitgliedern.
Eine (fast) unendliche Geschichte
Dazu kommt, wie lange sich das Thema schon hinzieht. Der Fall beschäftigt die SPÖ Alsergrund immerhin seit Jahren: die ersten Vorwürfe gegen den Mann stammen aus dem Jahr 2019. Einigen in der Partei geht dies zu langsam, es riecht für sie nach Verzögerungstaktik. Warum wurde der Mann nicht längst ganz aus der Partei ausgeschlossen, obwohl auch die Bezirkspartei und deren Parteispitzen dies angeblich so möchten?
Denn nun, 3,5 Jahre später, ist der Fall laut Kritikerinnen und Kritikern noch immer nicht abgeschlossen. Die Mitgliedschaft des Mannes ist im Moment "nur" ruhend gestellt – obwohl ein Fehlverhalten vom Schiedsgericht sogar festgestellt und "gerügt" wurde. Anscheinend haben auch solche Umstände und das Unverständnis darüber schließlich zu den Austritten der drei Mandatare und Mandatarinnen geführt, ist aus ihrem Umfeld zu hören. Auch weitere Mitglieder haben die SPÖ Alsergrund wohl deshalb verlassen.
SPÖ Alsergrund verspricht "neues Prozedere"
Seitens der SPÖ Alsergrund ist es dem Regionalsekretär Maurer wichtig zu betonen, dass man nach dem erstmaligen Bekanntwerden der Vorwürfe stets in "enger und rascher Abstimmung mit den Betroffenen" reagiert habe. Außerdem hält Maurer fest: "Auf Basis des Schiedsgerichtsspruchs spricht sich der Bezirksvorstand weiterhin für den Ausschluss des Mitglieds aus." Der Bundesparteivorstand der SPÖ muss darüber nun entscheiden, ob dem stattgegeben wird. Eine Entscheidung dazu wird nun bereits im Februar erwartet. Trotzdem sehe man, dass die Prozesse für einige in der Partei "unbefriedigend" gewesen seien.
Daher werde laut Maurer unter anderem im Bezirk ein neuer Prozess erarbeitet, wie man künftig in solchen Fällen von sexuellen Grenzüberschreitungen verfahren wolle: "Es hat sich in den letzten Monaten gezeigt, dass die bestehenden innerparteilichen Verfahren und Prozesse zu solchen Vorwürfen leider unzureichend sind."
Die meisten Mitglieder, die bereits ausgetreten sind, wird dies nicht mehr zurück bringen. Bei allem, was man sowohl aus ihrem Umkreis als auch aus der SPÖ Alsergrund hört, ist das Tischtuch da endgültig zerschnitten.
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