„Korrupt: Ein Satz um 300.000 €“
Korruptionsjäger Martin Kreutner über das System und Jagden mit Graf Ali
Hüter der Moral: Martin Kreutner (48, links) war jahrelang Korruptionsjäger des Innenministeriums. Seit 2008 leitet er die Internationale Anti-Korruptions-Akademie IACA in Laxenburg (Bez. Baden).
Talk bei P3tV. Das gesamte Gespräch sehen Sie ab Freitag dem 29. Juni im Kabelfernsehen der Kabelsignal, in A1tv, über Satellit auf Astra digital und im Web unter http://www.p3tv.at oder direkt hier unter diesem Beitrag.
Herr Kreutner, mein Bruder würde einen Arbeitsplatz brauchen. Sie haben gute Kontakte zum Innenministerium. Wenn ich jetzt einen guten Artikel schreibe, können wir da nicht etwas machen, dass mein Bruder bei Ihnen unterkommt?
Martin Kreutner: „Ich hab solche Angebote bekommen, als ich noch Leiter einer kriminalpolizeilichen Stelle war. Auch von seriösen Medien, die mir angeboten haben, wenn ich einen Akt ,rüberwachsen‘ lasse, würden sie gut schreiben. Für mich ist das klare Korruption.“
Wo fängt Korruption an?
„Korruption ist der Missbrauch einer überantworteten Machtbefugnis zum eigenen Vorteil. Es gilt da zu unterscheiden: Einerseits den strafrechtlichen Aspekt, und den moralisch-ethischen Bereich. Es ist nicht alles, was grad noch legal ist, auch legitim.“
Im Untersuchungsausschuss scheint ja vieles legal zu sein, etwa überteuerte Studien. Es hinterlässt aber in der Bevölkerung ein katastrophales Bild. Wie schlimm ist die Situation in Österreich?
„Wir unterliegen einem weltweiten Phänomen. Korruption ist immer das Problem des anderen. Eine Ausprägung davon ist, die Augen zuzudrücken. Wenn man gewisse Studien ansieht: Im Zivilrecht gibt es schon Möglichkeiten. Wenn Sie ein Geschäft machen und der Preis ist 50 Prozent über dem üblichen, haben Sie die Möglichkeit, das einzuklagen. Es bleibt die Frage bei Studien, bei denen ein Satz 300.000 Euro Steuergeld kostet, warum ist das nicht juristisch greifbar? Ich behaupte: Es ist.“
Ein Satz um 300.000 Euro passiert offenbar. Warum regen sich die Geschädigten darüber nicht auf?
„Der Geschädigte ist in dem Fall die öffentliche Hand. Da sind sicher Diskussionen notwendig.“
Hat sich Österreich im internationalen Vergleich in den Rankings durch solche Vorkommnisse verschlechtert?
„Ich komme viel herum. Die Wahrnehmung von Österreich und den sogenannten alten Demokratien ist im Wechsel begriffen. Wir hatten die letzten Jahrzehnte ein hohes Niveau und sind jetzt bequem geworden. Es gibt sehr viele Entwicklungsstaaten, die sich angestrengt haben. Und da fallen wir im Vergleich zurück.“
Wenn man sich Griechenland ansieht, wie sehr ist die Situation ein Korruptionsproblem und wie hoch ist die Gefahr, dass wir ein kleines Griechenland werden?
„Man kann mit gutem Grund sagen, dass Korruption ein wesentlicher Anteil ist. Es ist kein Zufall, dass jene Staaten, die am korruptionsfreiesten sind, auch jene sind, die am sichersten und prosperierendsten sind.“
Nachdem Sie meinen Bruder nicht unterbringen wollen, eine kritische Frage: Sie waren bei Graf Mensdorf-Pouilly, der im Zusammenhang mit Zahlungen genannt wurde, als Jagdgast eingeladen.
„Ich bin von einem Freund, den ich 20 Jahre kenne, eingeladen worden und mit meinem Privatauto gefahren. Ich hab dann gemerkt, das geht in eine falsche Richtung. Ich gebe auch zu: Es schmerzt, wenn man dann acht Jahre später erfährt, dass diese private Einladung eigentlich fremdfinanziert war.“
Ist es ein Trick des Systems, dass man Menschen zu einer Jagd unverfänglich einlädt und plötzlich finden sich diese in einer höchst unangenehmen Situation und man hat sie dann?
„Ich glaube nicht, dass man mich hat. Es geht nicht darum, dass man alle, die auf einer Weinverkostung eingeladen waren, kriminalisiert. Ich geb´ Ihnen aber recht, dass das Mechanismen sind, die angewendet werden.“
Glauben Sie, es macht ein gutes Bild für einen Chef einer Anti-Korruptionsakademie, wenn man auf solche Mechanismen reinfällt?
„Ich habe diesen Fehler eingestanden. Wer ohne Fehler ist, werfe den ersten Stein.“
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