Seltene Krankheit, was nun?
Fast blind: Badener kämpft um Impfbefreiung
Österreich hat die Impfpflicht – samt Ausnahmeregelungen. Schwangere müssen sich zum Beispiel nicht impfen lassen. Und auch Menschen mit Vorerkrankungen und Risikopatienten sind ausgenommen – wenn ein Arzt dies bestätigt. Was noch fehlt ist die genaue Definition dieser Ausnahmeregelungen. Und das macht Betroffene, die sich sorgen, unruhig. Wir haben einen Mann besucht, der sich nicht impfen lassen möchte. Denn er befürchtet: Die Impfung könnte ihn des Rest seines Augenlichts nehmen – auch wen dies durch keine Studie belegt ist, die Furcht ist nun einmal da. Eine Angst, die alle "normal Sehenden" nicht so leicht nachempfinden können ...
BADEN. Friedrich Kieteubl (63) aus Baden leidet an einer sehr seltenen erblichen Augenkrankheit - Rethinopatia pigmentosa. Sie führt schlussendlich zur Erblindung. An dieser Krankheit leiden in Österreich seiner Auskunft nach nur 200 Personen.
2 Prozent kostbare Sehfähigkeit
Friedrich Kieteubl sind noch knapp 2 Prozent seiner Sehfähigkeit erhalten geblieben. Damit kann er ein autonomes Leben bewerkstelligen, auf das er sehr viel Wert legt. Doch vor der nun in Kraft tretenden Impfpflicht hat er Angst. "Meine Augenärztin sagt mir, dass es - aufgrund der wenigen Personen, die an Rethinopatia pigmentosa leiden - nie eine Studie bezüglich der Sars-Cov-2-Impfung geben wird."
Dennoch: Bei den derzeit bekannten Ausnahmeregelungen im Impfgesetz ist die Krankheit nicht aufgeführt, die Impfbefreiung scheint ihm unmöglich. "Ich möchte keine Testperson sein. Ich habe zu viel Angst, als Folge den Rest meines Augenlichtes zu verlieren", sagt der Badener. "Das wäre für mich eine Katastrophe, ich habe doch noch 20 Jahre zu leben." Nun schrieb er - auch im Namen seiner ebenfalls erkrankten zwei Geschwister - einen offenen Brief an die Parlamentsklubs, die Ärztekammer, den Behinderten- und Patientenanwalt sowie an das Gesundheitsministerium. "Eine Impfung, deren Auswirkung auf unsere Krankheit nicht geprüft ist, kann uns doch nicht als Pflicht verordnet werden! Sonst heißt es ja auch Im Zweifel für den Angeklagten." Kieteubl ist im übrigen kein Impfgegner, doch sein Augenlicht ist ihm das Wichtigste.
"Empathieloses Management"
Vom neuen Gesetz fühlt sich Kieteubl nicht nur psychisch unter Druck, sondern auch existenziell: "Ich werde eine Strafe verfassungsrechtlich beeinspruchen. Wenn dieser aber abgewiesen wird, kann mich das gleich die Höchststrafe von 3.600 Euro kosten", befürchtet Kieteubel. Das Geld für eine so hohe Strafe hat er allerdings nicht auf der hohen Kante. Der ehemalige Lehrer an einer Blindenschule lebt als Frühpensionist von 1.500 Euro Pension bei Wohnungskosten von 1000 Euro. Aus dem teuren Baden wegziehen will er auch nicht, weil er hier als Fast-Blinder fußläufig alles erreichen kann. "So gut wie in Baden ist die Situation für Blinde nirgendwo sonst."
Sein Vorwurf richtet sich - so betont er - gegen ein "empathieloses Corona-Management, das offenbar auf die Schwächsten der Gesellschaft vergisst.Gibt es noch ein Recht für behinderte Menschen mit sehr seltenen Erkrankungen?"
Das sagt die Sanitätsdirektorin
Die NÖ Sanitätsdirektorin Dr. Irmgard Lechner schreibt auf unsere Anfrage, wie und durch wen in Zukunft über Impfbefreiungen bei seltenen Erkrankungen entschieden wird: "Der Gesundheitsminister hat die Verordnung noch nicht verlautbart. Fragen zur Befreiung von der Impfpflicht können derzeit noch nicht beantwortet werden. Das Prozedere wird von der Landessanitätsdirektion zeitgerecht kommuniziert." (Stand: 7. Februar 2022)
Der Weg zur Impfbefreiung geht nur übers Internet
Wie wenige Tage später bekannt wurde, werden Anträge auf Impfbefreiungen ausschließlich online möglich sein. Alle Länder haben eigene Tools entwickelt, auf denen Anträge und Unterlagen hochgeladen werden können (ab 14. Februar). Ein persönliches Vorsprechen ist nicht vorgesehen.
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