Vom Chor zum Solo. Ivana Zdravkova im Gespräch.
"Ich will etwas Schönes machen!"
Interview aus dem Jahr 2021, als Ivana Zdravkova als Annina in "Eine Nacht in Venedig" brillierte. Aktuell steht sie als "Micaela" in Carmen auf der Bühne des Stadttheaters.
Interview aus 2021:
BEZIRKSBLÄTTER: Sie werden jünger geschätzt als Sie sind, aber Sie erzählen von Ihrer alten Seele. Sie sehen sich selbst als schüchtern, aber in Ihren Augen glitzert feurige Energie. Sind Sie eine Frau mit Gegensätzen?
IVANA ZDRAVKOVA: Ich bin eine vielseitige Frau. Jedenfalls, was meine Kunst, das Singen, betrifft. Ich war 2017 im Finale des Heinrich Strecker-Gesangswettbewerbes, im Bereich Oper/Operette und Lied. Aber ich träume auch davon, einmal Musical zu singen. Auf der Bühne vereinen sich für mich Tanzen - ich war auch eine gute Läuferin - , Kostüme - ich mochte immer Modedesign, Schauspiel und Singen, das sowieso. Dieser Mix macht mich aus.
Was meinen Sie eigentlich mit 'alter Seele'?
Dass ich schon als Kind sehr viel nachgedacht habe, z.B. über die Zufälle im Leben, die es meines Erachtens nicht gibt, sondern alles ist eine Art Fügung - oder über das Jenseits. Ich konnte nie verstehen, warum Menschen überheblich sind und andere beleidigen und unterdrücken. Rassismus habe ich auch nie verstanden.
Sind Sie wirklich so schüchtern? Kaum zu glauben...
Naja, ich bin heute schon etwas offener, auch weil ich es sein muss. Als Kind war ich jedenfalls zu schüchtern, um meine Ballett-ausbildung aus Melbourne nach der Übersiedlung nach Skopje wieder aufzunehmen. Aber jetzt tanze ich in meiner Freizeit Salsa, vielleicht kann man das als Symbol für meine Entwicklung sehen. (lacht)
Warum sind Sie überhaupt nach Österreich gegangen?
Es gab zu wenig Engagements in Mazedonien, ich war in einer Krise. 2016 hörte ich, dass im Chor der Bühne Baden eine Stelle als Sopranistin frei war. Ich kam zum Vorsingen und bekam die Stelle. Ein Jahr später war dann der Strecker-Gesangswettbewerb, wo ich zufällig - ich glaube ja nicht an "Zufälle" - den neuen Intendanten Michael Lakner wieder sah, den ich von Bad Ischl kannte. Ich erinnere mich, dass ich nach dem Bewerb zu ihm sagte, dass ich gar keinen Preis will sondern eine Rolle. Er sagte: Du kriegst sie.
Und Sie haben sie bekommen: 2020 schon in "Rose von Stambul", und jetzt in "Eine Nacht in Venedig". (Aktuell als Micaela in Carmen, Anm. aus 2023) Es ist schon etwas Besonderes, aus einem Chor weg in eine Solo-Rolle engagiert zu werden...
In Baden ist das glaub ich noch nie vorgekommen und auch sonst sehr, sehr selten. Ich habe allerdings schon früher im Opernhaus in Mazedonien solistische Rollen gesungen, z.B. die Olympia in Hoffmanns Erzählungen, Papagena in der Zauberflöte oder Liu in Turandot, meine Traumrolle überhaupt.
Kennen Sie Lampenfieber?
Nur bei den Proben. Da ist noch alles unsicher, man kennt den Regisseur oder die Kollegen noch nicht so gut. Ab der Premiere sollte alles so fix einstudiert sein, dass nichts Unvorhergesehenes mehr passieren kann.
Noch einmal zurück zu Ihrer Persönlichkeit: Würden Sie sich als Perfektionistin sehen? Rate ich da richtig?
Jaaa. Ich glaube ohne Perfektionismus kann man sich nicht weiterentwickeln, schon gar nicht auf der Bühne. Ich will etwas Schönes machen, es soll immer alles noch besser werden als es vorher war. Und ich fühle mich irgendwie auch verpflichtet, dieses Talent, das mir Gott oder eine Universal-energie geschenkt hat, auch zu realisieren.
Zur Person:
Ivana Zdravkova ist eine mazedonisch-australische Sängerin. Durch ihre frühe Ballettausbildung in Melbourne und ihre Eltern, beide Sänger, kam sie zur Kunst. In Skopje begann sie im Schulchor zu singen, studierte dann Sologesang am FMU Skopje. Ihr Masterstudium an der Kunstuniversität Graz schloss sie mit Auszeichnung ab. An der Bühne Baden begann sie 2016 im Chor, sprang 2018 als Juliska (Maske in Blau) ein, 2020 gab sie die Kondja Gül in "Die Rose von Stambul" und 2021 die Annina in "Eine Nacht in Venedig". (Aktuell steht sie als "Micaela" in Carmen auf der Bühne, Ergänzung 2023)
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