Verhandlungsmarathon gegen 17 Identitäre
BADEN. Es war ein zehnstündiger Marathon-Verhandlungstag, den Richterin Mag. Doris Pass am Badener Bezirksgericht vorigen Donnerstag, dem 15. Februar 2018, zurücklegen musste. Und er endete mit einer Vertagung.
17 Angeklagte einvernommen
17 Mitglieder (darunter eine Frau) der als rechtsextrem eingestuften Identitären Bewegung mussten sich wegen ihrer Störaktion einer Theateraufführung im AudiMax in Wien vom 14. April 2016 verantworten. Die Aktion hatte damals großes Aufsehen erregt.
Martin Sellner, Baden-bekannt, war als "Ideengeber" der Kopf der Störaktion und Hauptangeklagter. Verteidiger Bernhard Lehofer betonte zu Verhandlungsbeginn um 9 Uhr, dass sich alle Angeklagten als "nicht schuldig" bekennen. Zusätzlich musste sich ein Angeklagter wegen Körperverletzung verantworten - er bekannte sich ebenfalls nicht schuldig, es müsse sich um eine Verwechslung handeln. Die Frage konnte vorerst nicht geklärt werden.
Die Einvernahme der 17 Angeklagten dauerte gute vier Stunden und ergab ein recht uniformes Bild: Man habe nicht die Theateraufführung stören wollen, sondern eine symbolische Protestaktion setzen wollen, ja sogar von einer "künstlerischen Intervention" war die Rede. Die Aktion habe sich gegen die "Heuchelei" im "Open Border-freundlichen" Publikum (von einem Angeklagten als "außer sich geratener Mob" bezeichnet) setzen wollen. Dazu seien ungefähr 20 Identitäre ins AudiMax "gegangen", wird unisono geschildert. Auf der Bühne hatte dort vor einer Viertelstunde die Theateraufführung "Schutzbefohlene performen 'Die Schutzbefohlenen' von Elfriede Jelinek" begonnen, eine Aufführung des Künstlerkollektivs "Die schweigende Mehrheit sagt Ja". Geflüchtete Menschen waren die DarstellerInnen. Die Identitären entrollten auf der Bühne ein Transparent mit der Aufschrift "Heuchelei", hielten per Megaphon "eine Rede", verspritzten Kunstblut und ließen Flyer von der AudiMax-Galerie regnen. "Multi Kulti tötet" stand unter anderem darauf. Keiner der Beschuldigten will sich der Strafbarkeit dieser Aktion bewusst gewesen sein, die Störung habe nur eine Minute gedauert.
Körperverletzungen
Ganz anders sahen das Personen, die das Theaterstück besucht hatten, und die Veranstalter von der Österreichischen Hochschülerschaft der Uni Wien. Die Identitären hätten das AudiMax "gestürmt", es sei zu Tumulten gekommen. Mehrere Zeugen sagten aus, verletzt worden zu sein. Drei Zeugen wollten unter den Angeklagten eindeutig die Täter erkannt haben, unter anderen auch den Hauptangeklagten, der dies jedoch in erster Reaktion von sich wies. Aus dem Megaphon sei maschinengewehrähnlicher Krach zu hören gewesen, sagten die Zeugen. Die Theateraufführung habe erst nach gut 20 Minuten Unterbrechung und nach Reinigung der Bühne weitergehen können. Die DarstellerInnen seien zum Teil sehr geschockt gewesen. Kinder konnten überhaupt nicht mehr weiterspielen, auch die geplante Diskussion verlief nur noch "bruchstückhaft".
Neuer Termin anberaumt
Die Staatsanwältin ergänzte am Ende des Verhandlungstages ihre Anklage um weitere Körperverletzungsvorwürfe. Sie übergab der Richterin eine CD mit Video- und Audioaufnahmen, die die "Motivationslage" der Identitären dokumentieren sollen. Voraussichtlich am 15. März wird mit neuen Zeugen weiter verhandelt. Eine Besitzstörungsklage hat die ÖH vor Gericht in Wien bereits gewonnen.
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