Radverkehr
Brigittenau: Verkehrspolitik exklusiv für Autofahrer
Neue Radwege: nein. Begegnungszonen wie in anderen Bezirken: nein. Fahrradbügel: bitte nicht bei uns. In Wien-Brigittenau ficht die Bezirksvorstehung einen Kampf für das Automobil und gegen eine Fußgänger- und radfreundliche Verkehrspolitik.
Während im Wiener Stadtgebiet die Zahl der Stellplätze stetig erhöht wird – insgesamt 49.101 waren es im Jahr 2019 (Quelle: MA46); rund 1.600 kommen jedes Jahr in Wien dazu – zeigt sich in der Brigittenau ein gegenteiliger Trend: Zwischen 2016 und 2019 wurden Radabstellplätze hier sogar reduziert. Während die offizielle Statistik der Stadt Wien im Jahr 2016 im 20. Bezirk noch 1.619 Stellplätze zählte, waren es im Jahr 2019 nur noch 1.601.
Radwegeausbau stagniert
Ähnlich die Situation bei den Radwegen: Während in den meisten Wiener Bezirken an Lückenschlüssen und an der Optimierung des Radwegenetzes gearbeitet wird – zugegeben: mal mit mehr, mal mit weniger Engagement –, tut sich in der Brigittenau: nichts. Wie die offiziellen Zahlen zum Ausbauprogramm der Stadt Wien zeigen, ist die Brigittenau der einzige Wiener Gemeindebezirk, der seit dem Jahr 2011 keinerlei Mittel aus dem Zentralbudget der Stadt Wien lukriert hat, um Radinfrastruktur zu errichten oder zu verbessern.
Dort, wo es Radinfrastruktur gibt, ist diese häufig unzureichend, gefährlich und offenkundig so ausgestaltet, dass sie den Radverkehr gegenüber anderen Verkehrsteilnehmenden diskriminiert. Beispiel: der entlang der U6 verlaufende Radweg vom Donaukanal zur Donauinsel, vorbei an Brigittenauer Bad, weiter über die Leipziger-Straße, Hellwag-Straße und Universum-Straße bis zum Millennium-Tower. Sobald der Radweg an einer ungeregelten Kreuzung eine Straße quert, wird er unterbrochen, obwohl teilweise Schutzwege für den Fußverkehr an der selben Stelle verlaufen. Dazu gibt es an der Strecke Bedarfs-"Bettel"-Ampeln mit absurd kurzen Ampelphasen und gefährliche – nicht ausgezeichnete – Radwegsverengungen unter den Bahnbrücken.
Radwege auf Gehsteigen
Häufig wurden in der Vergangenheit Radwege auf Gehsteigen errichtet, womit Konflikte zu Fußgängern provoziert werden. Selbst in breiten Straßen enden Radverkehrsverbindungen oft unvermittelt und werden – zick-zack – in Nebenstraßen umgeleitet. Wesentliche Verbindungen wie die Wallensteinstraße, die Klosterneuburger Straße oder die Jägerstraße sind überhaupt völlig Radwegsfrei. Auch Fahrbahn-Sanierungen großer Straßenstücke werden – anders als in anderen Bezirken – nicht dazu genutzt, um Fahrrad-Anlagen zu errichten.
Wenn etwas passiert: durch öffentlichen Druck
Wenn dann doch einmal etwas passiert, dann nur, wenn Bürger ausreichend öffentlichen Druck aufbauen. So geschehen zum Beispiel in der Wasnergasse am Augarten, wo Tempo-30-Zone und Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht in jahrelangem Ringen und nur gegen vehementen Widerstand der Bezirksvorstehung durchgesetzt werden konnten. Die ehemalige Vizebürgermeisterin konnte damals die Verhinderungspolitik des Bezirks nur überwinden, weil die Wasnergasse zum Hauptradverkehrsnetz der Stadt zählt.
Gegen die Auto- und Parkplatz-zentrierte Verkehrspolitik im Bezirk regt sich jedenfalls zunehmend Widerstand. Vergangene Woche Donnerstag demonstrierten Anrainerinnen und Anrainer vor der städtischen Bücherei in der Pappenheimgasse (Foto) für ausreichend Fahrradstellplätze vor dem Eingang. Die Radlobby präsentierte in diesem Zusammenhang ihre Petition für mehr Fahrrad-Bügel im Bezirk. Diese Woche präsentierte die Bürgerinitiative "Die20erinnen" ihre Petition für eine Verkehrswende in der Brigittenau, in der unter anderem eine Begegnungszone rund um den Hannovermarkt, eine attraktive Gestaltung des Straßenraums für nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer, Entschleunigung auf den Straßen und mehr Bäume gefordert werden. Bleibt abzuwarten, wie die Entscheidungsträger im Bezirk mit diesem zivilgesellschaftlichen Aufbegehren umgehen...
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
4 Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.