Evas Lernecke: Lehrerjob als Halbtagsjob ?
In der Gesellschaft hat sich das Bild des Lehrers im Laufe der Zeit sehr zu dessen Nachteil verändert. Von der Dorfautorität neben Pfarrer und Arzt ist heute nur mehr wenig übrig. Im Gegenteil. Oft werden Lehrer als faul und arbeitsscheu abgestempelt und jeder, absolut jeder fühlt sich befähigt dazu ein Urteil darüber abzugeben, was hinter den Schulmauern so passiert.....die Wirklichkeit ist aber oft ganz anders.....
Gleich vorweg, natürlich gibt es schwarze Schafe. Die gibt es überall, in jedem Beruf, unter allen Menschen. Und Lehrer sind Menschen. Menschen, die oft zu Unrecht negativ beurteilt werden und deren gesellschaftliches Ansehen weit hinter deren Leistungen hinterherhinkt.
Warum ist das aber so?
In der heutigen Zeit existieren eine Vielzahl von pseudowissenschaftlichen Erziehungsratgebern, in jeder Zeitung wird angeblich Pädagogisches abgedruckt und die Bücherregale sind voll damit. Von allen Seiten prasselt Pseudowissen auf die Eltern ein und jeder fühlt sich plötzlich als Spezialist in Sachen Erziehung.
Früher war das anders. Da wurde dem Leher noch vertraut, auf seine Ausbildung und sein Wissen gebaut. Irgendwie scheint das nun in den Köpfen in den Hintergrund gerückt zu sein...doch nur zur Erinnerung...Lehrer durchwandern eine lange Ausbildung, um am Ende in einer Klasse zu stehen. Es gibt verschiedenste Fachprüfungen wie Erziehungswissenschaft, Unterrichtswissenschaft, Soziologie, Psychologie und so weiter, und das alles neben den eigentlichen Fächern, die man dann unterrichtet. Für bereits unterrichtende Lehrer finden laufend verpflichtende Fortbildungsseminare statt, um am letzten Stand zu bleiben und die Fächer werden unaufhörlich erweitert, die Ansprüche erhöht.
Ich denke, da kann ein Erziehungsratgeber vom Billigdiskonter nicht wirklich mithalten, was denken Sie ?
Es gibt eine lustige Karikatur über Elternsprechtag heute und vor 50 Jahren. Vor 50 Jahren kommen Eltern bibbernd zur Türe herein, heute versteckt sich der Lehrer zitternd hinter seinem Schreibtisch. Witzig, aber es hat schon ein Fünkchen Wahrheit in sich.
Natürlich muss sich niemand fürchten, es sollte ein Gleichgewicht herrschen. Doch eines sollte man dabei nicht aus dem Auge verlieren. Der Lehrer ist der Profi, der seinen Job ausübt, für den er studiert hat, für den er mannigfaltige Kompetenzen erworben hat. Diskutieren gerne, aber bitte mit Respekt für sein Gegenüber. Beiderseits.
Die Idee, Lehrer zu sein wäre ein Halbtagesjob bringt mich immer wieder zum Schmunzeln und kann nur von Menschen kommen, die noch niemals die Schule von heute von innen gesehen haben.
Nach dem normalen Stundenplan gibt es nämlich noch zusätzlich verpflichtende Supplierstunden, Dienstbesprechungen, Konferenzen, Fortbildungen schulintern und extern, Abendveranstaltungen, Exkursionen, Wandertage, Schulwochen, Projekte, SEL- Gespräche, Elternsprechtage, Sprechstunden und so weiter und so fort....natürlich alles in der unterrichtsfreien Zeit versteht sich. Und dabei spreche ich noch nichteinmal von den Korrekturarbeiten von Hausübungen, Lernzielkontrollen, Tests, Projekten, Referaten, Gruppenarbeiten, Arbeitsblättern, Onlinehausübungen und Onlinearbeitsblättern.... und das gelegentliche Häkchen unter der Hausübung existiert in den meisten Schulen ohnehin nicht mehr und ist dank diversen staatlichen Tests und Wissenserhebungen schon lange aus dem Schulalltag verbannt.
Nun kommen noch die Vorbereitungen für die nächsten Tage dazu. In geschriebener Form und natürlich online, denn die Elternschaft will ja schließlich über jedes schulinterne Geschehen genausestens und adhoc informiert werden.
Manche meinen nun ein langjähriger Lehrer bräuchte keine Unterrichtsvorbereitung mehr...nur zur Erinnerung...das ist seine Pflicht und wird auch immer wieder kontrolliert. Natürlich legt man sich im Laufe der Jahre ein Reportoire zu, doch der Stoff und die Fächer sind nicht konstant. Einige Fächer wie zum Beispiel Naturwissenschaften oder Berufsorientierung sowie schulautonome Fächer wie Soziales Lernen haben keine Schulbücher. Der Lehrer muss also jegliches Material selbst herstellen, vervielfältigen und kreieren. Dafür steht oft ein Computer für etwa 30 Lehrer zur Verfügung und der " Schreibtisch" im Konferenzzimmer hat eine Maße von etwa 40 mal 40 cm, wo alle Bücher und Unterlagen gelagert werden müssen, manchmal wird dieser spärliche Platz dann noch mit Lehrern geteilt, die nicht Stammlehrer an der jeweiligen Schule sind.
Zusätzlich gibt es natürlich auch noch ein verpflichtendes Maß an Pausenaufsichten und Kustodiaten, Refrenzen wie Unescoreferenz,Ämter wie Bibliothekbeauftragter, Vertrauenslehrer et cetera.
Ich könnte meine Ausführungen noch weiter ausdehnen, doch ich denke ich habe meinen Punkt gemacht.
Von Halbtagsjob kann keine Rede sein, und von guter Bezahlung schon gar nicht. Junge werden sich zweimal überlegen, ob es heutzutage noch clever ist, den Lehrerjob zu wählen. Diejenigen, die ist tun, sind mit Sicherheit Idealisten und sehen das Lehrersein nicht als Beruf an sondern als Berufung.
Ich selbst sehe das so, ich liebe Kinder und ich liebe die Arbeit mit ihnen.
Zeigen wir den Lehrern doch ein wenig Respekt, sie verdienen sie ihn.
Abschließend noch eine kleine Anekdote: Mein Mann ist begeisterter Athlet und hat auf einer amerikanischen Universität studiert. Bei einem bilingualen Schulprojekt, hat er freundlicher Weise als Gastcoach eine Sporteinheit geführt, die in englischer Sprache gehalten wurde und mich dann bei der Pausenaufsicht begleitet. Er war am Ende des Tages geschlaucht und war verblüfft, wie anstrengend, laut und nervenaufreibend doch eine einzige Aufsicht und wie hoch die damit einhergehende Verantwortung ist.
Ein anderer Freund setzte vor ein paar Jahren das Computernetzwerk unserer Schule auf und erklärte mir am Abend, dass er niemals Lehrer sein könnte, und dass er eine Woche im Büro weniger anstrengend findet als eine Stunde in der Schule.
Vielleicht denken wir vor dem nächsten vorschnellen Urteil doch ein wenig nach, dann bleiben Peinlichkeiten, wie wir sie aus der Politik kennen fern und wir können in Fairness, mit Niveau und Respekt über eine Sache sprechen, die uns alle angeht....immerhin vertrauen wir den Lehrern das Wichtigste an, das wir haben...unsere Kinder
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