Baby, Handy, Straßenbahn
Lautes Plaudern oder Telefonieren in der Straßenbahn nervt und ist oft peinlich. Das ist eine Sache. Es ist aber eine andere Sache, dass man mit Babys und Kleinkindern gerade in der Straßenbahn viel sprechen sollte.
Die Sprachentwicklung ist individuell, das Kleinkind kann nicht termingebunden mit dem Sprechen beginnen. Man sollte es auch nicht fordern oder überfordern, sondern fördern.
Sprache beginnt lange vor dem Sprechen: Das Kind versteht, reagiert, irgendwann versucht es, etwas nachzusprechen, und irgwendwann bildet es den ersten eigenen Satz. Das muss vorbereitet werden, indem man mit dem Baby viel spricht, auch wenn man glaubt, dass es noch nichts kapiert. Es sollte keine "Babysprache" sein, das Kind soll ja nicht "du-du, da-da" lernen! Es sollte die übliche Erwachsenensprache sein, mit korrekten kürzeren Sätzen, langsam gesprochen, mit Pausen dazwischen. Man wird sehen, das Kind reagiert, als ob es verstünde oder gar mitlernte. Wichtig ist, nicht unbeteiligt neben dem Kind zu sprechen, sondern zu ihm zu sprechen, möglichst auch einen Blick- und Berührungskontakt zu haben. Lallt das Kleine etwas, sollte man sein gerade Gesagtes wiederholen und das Kind loben, weil es so klug begriffen hätte...
Babys erste Kontaktaufnahme mit der Welt ist das Schreien, es kann ja noch nichts sagen. Wenn es in der Straßenbahn zu schreien beginnt, genieren oder ärgern sich leider die meisten Eltern oder Begleitpersonen und versuchen, das Schreien durch Schaukeln, Füttern oder gar Schimpfen zu unterbinden. Sie sollten aber dem Kind gar nicht die Möglichkeit geben, öffentlich zu schreien, wenn es ihnen so peinlich ist: Die körperlichen Bedürfnisse kann man durch richtiges Füttern, Wickeln usw. befrieden, und wenn es aus Lust an der Kommunikation losschnattert, sollte man seine Aufmerksamkeit fesseln, indem man es möglichst umarmt und erzählt und erzählt.
Man erzähle, was man gerade aus dem Fenster der Straßenbahn sieht; dass man
gerade in einem dunklen Tunnel fährt, aber bald ist man wieder draußen; dass gerade Winter oder Sommer ist, dass Opa oder der kleine Freund in der Nachbarschaft wohl gerade ein Schläfchen macht oder spazieren geht; dass man eine grüne Weste und graue Hosen anhat – das Kind wird sich für alles interessieren, weil alles neu ist und weil es all das nebenbei lernend aufnimmt. Dabei wird es aufs Schreien ganz vergessen...
All das ist naturgemäß nicht möglich, wenn die Begleitperson die Straßenbahnfahrt zum Herumdrücken am Handy nützt und an einem ruhig gestellten Kind interessiert ist. Gesunde unbeschäftigte Kinder beginnen, sich selbst zu beschäftigen, z.B. indem sie zu schreien anfangen, und da beginnt oft der Teufelskreis.
Wenn das Kleinkind lernt, dass die Welt dank der Sprache erfassbar ist, dass dieses Miteinander Sicherheit gibt, wird es später seine Konflikte verbal und nicht brutal lösen. Wenn es dank der ständigen Beschäftigung einen großen Wortschatz bekommt, begreift es mehr von der Welt und wird in jeder Hinsicht – nicht nur in der Schule – erfolgreicher. Dafür lohnt es sich doch, etwas weniger am Handy herumzufummeln.
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