CETA auf der Kippe? Am 17. September wird in Wien demonstriert
Gegen die Handelsabkommen mit Kanada und den USA, CETA und TTIP, mehrt sich der Widerstand: Argumente dafür und dagegen
WIEN. Das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada, CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement), hatten viele schon unter Dach und Fach geglaubt. Verhandlungen abgeschlossen, Erfolg verkündet, fertig. Unterschrieben ist aber nach wie vor noch nichts, und die Gegner des Abkommens geben sich noch nicht geschlagen - und bekommen immer prominentere Unterstützer, zuletzt etwa Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), der SP-Mitgliedern fünf Fragen zu CETA stellt und sich an das Ergebnis halten will.
Am Samstag, den 17. September, ruft die globalisierungskritische Organisation Attac deshalb gemeinsam mit anderen Gegnern wie Global 2000 und dem Gewerkschaftsbund zu einer Demonstration auf. "Gemeinsam stoppen wir CETA und TTIP" ist das Motto - TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) ist das Handelsabkommen zwischen EU und USA. Los geht es um 14 Uhr beim Karlsplatz. Die Veranstalter rechnen mit 15.000 bis 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Das Ziel ist, Druck auf die österreichische Regierung aufzubauen, damit sie sich in Brüssel gegen CETA ausspricht. Beim EU-Kanada-Gipfel Ende Oktober soll der Vertrag unterzeichnet werden - dann muss das Europäische Parlament darüber entscheiden, danach die nationalen Parlamente. Chancen für ein Platzen des Abkommens gäbe es also noch zur Genüge.
Pro und Contra
Welche Argumente haben die Gegner, welche die Befürworter? Alexandra Strickner von Attac spricht sich gegen, Michael Löwy von der Industriellenvereinigung für CETA UND TTIP aus. Die beiden antworten auf vier Fragen zu den Abkommen.
Wir schreiben das Jahr 2025, CETA und TTIP sind schon seit Jahren in Kraft. Woran merken Sie das im täglichen Leben?
ALEXANDRA STRICKNER: Die Lebensmittel in den Supermärkten wurden unter ganz anderen Bedingungen produziert und stammen aus viel größeren Betrieben als bisher - aus Europa, den USA oder Kanada. Wahrscheinlich gibt es schon Gentechnik im Lebensmittelregal. Viele europäische Staaten haben schon Geld an große Unternehmen gezahlt, weil sie von ihnen geklagt wurden. Manche Gesetzesvorhaben werden gar nicht mehr in Angriff genommen, weil den Abgeordneten im Parlament von den vielleicht betroffenen Konzernen mit Klagen gedroht wird. Politische Initativen sind also schwerer durchsetzbar. Umweltstandards sind gesunken. Unternehmen drohen permanent, in die USA abzuwandern, wenn Arbeitnehmer nicht niedrigere Löhne akzeptieren.
MICHAEL LÖWY: In der Früh beim Aufstehen würde ich keine unglaubliche Veränderung feststellen. Außer ich bin jemand, der dank des Abkommens einen Arbeitsplatz hat: Weil ein Unternehmen keine Zölle mehr zahlen muss und daher das gesparte Geld dafür verwenden kann, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Ansonsten muss man den globalen Kontext des Abkommens sehen: Es werden Impulse für die österreichische und europäische Volkswirtschaft gesetzt, Exporte gesteigert und Arbeitsplätze geschaffen.
Ein ganz großes, umstrittenes Thema bei CETA und TTIP sind die darin enthaltenen Schiedsgerichte, bei denen ausländische Unternehmen klagen können, wenn sie sich von einem Land, in dem sie investiert haben, in ihren Rechten verletzt sehen. Warum sind Sie für/gegen diese Schiedsgerichte?
STRICKNER: Gerade große Unternehmen wollen dieses Instrument. Dort, wo es bereits existiert, sehen wir dass es gerne angewandt wird, um gegen Umweltgesetzgebung und sogar gegen die Erhöhung des Mindestlohns vorzugehen. Die Unternehmen klagen, weil ihnen durch die Gesetzesänderung Profite entgehen, mit denen sie gerechnet haben. Auf der anderen Seite investieren ja ausländische Unternehmn schon jetzt in Europa ohne Schiedsgerichte, also sind sie offenbar nicht notwendig. Man will sich hier Rechte absichern - aber nur für Investoren, nicht für Arbeitnehmer und Umwelt. Bei normalen Gerichten werden auch die gesellschaftlichen Interessen mitberücksichtigt - wenn etwa die Umwelt und Gesundheit der Menschen beeinträchtigt wird, wird das dem Profitinteresse gegenübergestellt. Bei Schiedsgerichten passiert das nicht.
LÖWY: Die Diskussion ist völlig überbewertet und dramatisiert. Österreich hat bereits 60 Abkommen zu Schiedsgerichten, aber bisher nur eine Klage. Außerdem klagen die Amerikaner deutlich weniger oft als die Europäer. Auf Grund der Unterschiedlichkeit der Rechtssysteme ist ein effektiver Investitionsschutz zur Absicherung österreichischer Unternehmen in den USA, Kanada sowie global und international sinnvoll.
Werden die Handelsabkommen Arbeitsplätze schaffen oder vernichten?
STRICKNER: Der Großteil der Arbeitsplätze in Österreich wird von Klein- und Mittelunternehmen (KMU) und vom öffentlichen Sektor gestellt. Aber gerade KMU haben von den Abkommen wenig: Weniger als 1 Prozent exportiert nach Übersee, der Markteintritt ist für sie zu teuer und schwierig. Das heißt es werden sicher einige, aber eben nicht übermäßig viele, Arbeitsplätze durch mehr Exporte geschaffen. Umgekehrt öffnen aber wir unsere Märkte für kanadische und US-amerikanische Konzerne. Handel ist ja keine Einbahnstraße. Wie viele Arbeitsplätze dadurch verloren gehen, fließt in keine der optimistischen Prognosen ein. Und auch die optimistischsten Studien kommen auf einen Wachstumszuwachs im Promille-Bereich, was einfach nicht im Verhältnis zu alldem steht, was man aufgibt.
LÖWY: Durch den Abbau von Exporthürden und die Öffnung der Märkte wird das Wachstum erhöht und Arbeitsplätze werden geschaffen. Der europäische Markt ist ja bereits weitgehend offen - wir streben nur eine Gleichstellung an. Aber über unsere Standards entscheiden wir auch in Zukunft selber. Auch als Industrie haben wir kein Interesse daran, dass unser Lebensmodell von außen diktiert wird.
Oft hört man: TTIP ist schlimm, CETA aber ok. Stimmt das?
STRICKNER: Nein. CETA ist TTIP durch die Hintertür. 80 Prozent der US-Unternehmen haben Tochterfirmen in Kanada. Wenn Sie die Schiedsgerichte für den Investorenschutz anrufen wollen, können sie das über diesen Weg tun.
LÖWY: Wir halten beide Abkommen für wichtig. Bei CETA gibt es eben schon einen Vertragstext, den man bewerten kann. Wir haben sechs Jahre verhandelt, alle Sozialpartner und alle Ressorts waren involviert. Für uns ist nicht nachvollziehbar, warum das jetzt die SPÖ noch einmal erörtern will. "Wenn CETA kommt, kommt automatisch TTIP": Diese Verquickung ist nicht zulässig, es sind zwei verschiedene Verträge. Wir wollen den TTIP-Prozess aber keinesfalls abbrechen. Wenn es sich unter Obama nicht mehr ausgeht, verhandeln wir eben unter der nächsten US-Präsidentin oder dem nächsten US-Präsidenten weiter.
Zu den Personen:
Alexandra Strickner ist Mitbegründerin und Vorstandsmitglied von Attac Österreich.
Michael Löwy ist der Bereichsleiter des Referats Internationale Beziehungen der Industriellenvereinigung.
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