Tiergarten-Direktorin Dagmar Schratter: "Wenn uns ein Bison auskommt, was soll der groß anrichten?"
Ein Interview über invasive Arten, weshalb Wien keine neuen Sehenswürdigkeiten braucht und warum man sich am Panda ein Beispiel nehmen sollte.
Ihr Vertrag als Direktorin des Tiergarten Schönbrunn wurde gerade verlängert - für wie lange?
DAGMAR SCHRATTER: Auf drei Jahre, bis Ende 2019. Dann bin ich 65. Ich denke das ist ein gutes Alter für einen Rückzug, dann sollen Jüngere weitermachen.
Was soll in dieser Zeit noch passieren, was für Projekte sind im Gange?
Das größte ist zurzeit die Erweiterung unserer Giraffenanlage. Herzstück davon ist ein großer Wintergarten, der unseren Giraffen dann auch in der kalten Jahreszeit mehr Bewegungsraum geben wird. Wir planen dieses Haus und die ebenfalls erweiterte Außenanlage im Frühjahr nächsten Jahres zu eröffnen. Dann planen wir bereits intensiv an einem neuen Wasserbecken für unsere Flusspferde. Das Wasserbecken ist schon sehr alt, nicht mehr dicht und auch nicht beheizbar.
Der Direktor des Schloss Schönbrunnes hat gesagt, dass er, sollten die Besucherzahlen weiter so steigen, nur noch Vorverkauftickets anbieten kann. Gibt es diese Entwicklung bei Ihnen auch?
Nein, überhaupt nicht. Im Schloss ist die Situation ein andere - weil dorthin kommen sehr viele Gruppen, die auch Führungen gebucht haben. Das Schloss ist ein Gebäude, unser Park ist 17 Hektar groß. Das heißt auch die Verteilung ist anders.
Aber gibt es Tage, an denen der Tiergarten voll ist?
Natürlich, aber das sind eine handvoll Tage im Jahr. So bei 15.000 Besucher stoßen wir an unsere Grenzen. Nicht, weil wir nicht mehr aufnehmen könnten, aber der Tiergarten ist dann einfach voll und das Erlebnis geht ein wenig verloren. Wir würden uns eine gleichmäßigere Verteilung wünschen, aber Tiergarten ist einfach ein Schönwetterprogramm, bzw. ballt es sich in der Zeit, in der viele Touristen da sind.
Es wurde auch diskutiert, ob Wien neue Sehenswürdigkeiten erfinden soll. Was sagen Sie dazu?
Kaum eine Stadt bietet derart viele Möglichkeiten für Touristen wie Wien. Es gibt unzählige Museen, es gibt historische Plätze. Man kann den Wienerwald besuchen, die Donauinsel, den Lainzer Tiergarten, Schloss Schönbrunn, was auch immer. Ich glaube nicht, dass es mehr braucht. Es gibt halt ein paar Highlights, die die Leute unbedingt besuchen wollen, und dort hat man dann Massen. Vielleicht sollte man andere Sehenswürdigkeiten mehr in den Fokus stellen und besser bewerben.
Spüren Sie jetzt gerade eigentlich die Auswirkungen der U4-Sperre bei den Besucherzahlen?
Weniger als wir befürchtet haben. Einen leichten Rückgang beim Haupteingang merken wir schon, aber wir haben einen Mitarbeiter bei der Station Schönbrunn positioniert. Der erklärt, wie man am kürzesten Weg zu den Eingängen kommt.
Die EU hat eine Liste mit invasiven Arten herausgegeben, die nicht gehalten werden dürfen. Auch die im Tiergarten gehaltenen Nasenbären, Muntjaks und Nutria stehen drauf. Wissen Sie schon mehr über den Umgang damit?
Ich bin im Gespräch mit den zuständigen Behörden. Generell ist eine Verordnung gegen invasive Arten sehr sinnvoll, da diese wirtschaftlichen und ökologischen Schaden anrichten. Aber ich kenne keine einzige Art, die sich dadurch unkontrolliert verbreitet, dass ein Exemplar aus dem Zoo entkommen ist. Zum Beispiel wird diskutiert, auch die Bisons zur invasiven Art zu erklären. Wenn ein Bison bei uns entkommt - was ohnehin nicht passieren wird - was soll der anrichten? Wir hätten es sehr schnell wieder gefangen.
Wie wirkt sich das auf den Tiergarten aus?
Der Vollzug liegt bei den einzelnen Ländern, das heißt hier warten wir die Verhandlungen ab. Ich hoffe sehr, dass wir Ausnahmeregeln bekommen. Ein weiteres Beispiel: Die Rotwangenschmuckschildkröten sind auch auf der Liste, weil sie die heimischen Sumpfschildkröten verdrängen. Aber bei uns gibt es die Möglichkeit, diese Tiere abzugeben. Gäbe es die nicht mehr, würden noch mehr Menschen ihre Schildkröten in den Donauauen aussetzen. Wir machen auch darauf aufmerksam, dass es sich um eine invasive Art handelt.
Was waren, in Bezug auf die Tierhaltung, die wichtigsten Projekte in ihrer Amtszeit?
Ich habe versucht in den Jahren den Artenschutz mehr Bedeutung zu geben. Dafür habe ich eine Kuratorin für Forschung und Artenschutz eingestellt. Und dann sind es natürlich Bauprojekte: die Orangerie, das historische Affenhaus. Was mich besonders freut ist der Naturerlebnisweg mit dem Baumkronenpfad, mit dem wir auch der heimischen Tier und Pflanzenwelt mehr Raum geben.
Sie sind Biologin und Tierpflegerin. Vermissen Sie die Tage, wo sie weniger administrative Aufgaben hatten?
Eigentlich nicht. Ich war wahnsinnig gern Tierpflegerin, diese Zeit möchte ich nicht missen. Wenn man am Tier arbeitet, ist das schon etwas anderes. In der Geschäftsführung zu sein, hat natürlich den Reiz und den Vorteil, dass man selber mitgestalten kann. Außerdem habe ich ja das Privileg, dass ich jederzeit die Tiere besuchen kann.
Wen besuchen Sie denn besonders gerne?
Also das kommt immer darauf an. Wenn es neue Arten gibt, gehe ich die gerne beobachten. Neu - und vorerst noch hinter den Kulissen - sind derzeit die Zwergmangusten, das ist eine tolle Tierart mit tollem Sozialleben. Ansonsten ist es immer wieder der Große Panda, der hilft ein bisschen runterzukommen. Ein bisschen Panda-Zuschauen, und dann kommt man vom eigenen Stress weg. Er hat auch keinen.
Interview: Anja Gaugl und Christine Bazalka
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