Portrait
Politikwissenschaftlerin Barbara Prainsack im Interview
Barbara Prainsack wuchs in Feldkirchen auf. Als Politikwissenschaftlerin und Buchautorin hat sie sie sich weltweit einen Namen gemacht.
FELDKIRCHEN, WIEN. Nach der Matura zog es Barbara Prainsack zum Studium nach Wien. Heute ist sie Professorin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien, leitet die Forschungsgruppe „Zeitgenössische Solidaritätsstudien“ sowie die Forschungsplattform „Governance of Digital Practices“. In ihrer Arbeit untersucht sie die sozialen, regulatorischen und ethischen Dimensionen der Biomedizin und Biowissenschaften. Aktuelle Forschungsprojekte konzentrieren sich auf Personalisierte und „Präzisions“-Medizin, auf die partizipative Praktiken in Wissenschaft und Medizin sowie die Rolle der Solidarität in Medizin und Gesundheitswesen.
REGIONALMEDIEN: Wie kam es zu den Entscheidung Politikwissenschaften zu studieren?
Barbara Prainsack: Ich habe mich immer schon dafür interessiert, wie man die Gesellschaft gestalten kann. Ich habe mich für ein Studium der Politikwissenschaft entschieden, weil ich besser verstehen wollte, wie es geht. Im Nebenfach habe ich Arabistik studiert, und auch viel Zeit mit den Rechtswissenschaften verbracht. Politikerin werden wollte ich nie, und will es auch heute nicht.
Ihre Doktorarbeit zur Regulierung der embryonalen Stammzellenforschung wurde mit dem Dissertationspreis ausgezeichnet. Worum geht es?
Als ich mein Doktoratstudium begann – vor über 20 Jahren – war die Frage der Stammzellenforschung weltweit ein heißes Thema. Darf man menschliche Embryonen verwenden, um medizinische Forschung zu betreiben? In Deutschland beantwortete man diese Frage ganz klar mit nein; in Israel mit ja. In beiden Ländern wurde die Menschenwürde als Grund angeführt. Als Politikwissenschafterin hat es mich interessiert, wie man mit derselben ethischen Begründung zu völlig anderen politischen Ergebnissen kommen kann.
Wo liegen Ihre Schwerpunkte?
Meine Forschungsschwerpunkte heute sind Medizin-, Gesundheits- und Technologiepolitik. Darunter fällt auch die Nutzung digitaler Technologien in unterschiedlichen Bereichen, zum Beispiel im Gesundheitssystem oder am Arbeitsplatz.
Sie waren viel unterwegs und sind Mitglied in vielen Organisationen. Sieht man die Welt dann mit anderen Augen?
Ich habe in verschiedenen Ländern auch außerhalb Europas gelebt, aber nie mehr als ein paar Monate. In London habe ich zehn Jahre lang gelebt. Seit 2017 bin ich zurück in Österreich. Ich schätze jetzt bestimmte Dinge in Österreich viel mehr, wie zum Beispiel die gute öffentliche Infrastruktur, das Gesundheitssystem, etc.
Fehlt es der Menschheit an Werten oder Respekt vor dem anderen oder haben sich Einstellungen verändert?
Durch die Corona-Pandemie und die nachfolgenden Krisen können wir in Österreich eine zunehmende Polarisierung beobachten; politisch gesehen, aber auch wirtschaftlich. Die politische und die wirtschaftliche Dimension sind dabei eng mit einander verbunden: Schon lang vor der Corona-Krise ging die Schere zwischen arm und reich auseinander. Große wirtschaftliche Ungleichheiten tragen zu stärkerer politischer Polarisierung bei.
Kann man als Einzelperson etwas verändern oder bewegen?
Natürlich - aber nicht nur. Es braucht immer beides, das Engagement von einzelnen Menschen und Familien, und die politischen Möglichkeiten. Der Wandel zu einem machhaltigeren Lebensstil zeigt es: ganz allein geht es nicht.
Wo steht Österreich und leben wir in Kärnten – Feldkirchen – in einem Mikrokosmos?
Österreich war lange eine Insel der Seligen – es gab hierzulande im Vergleich zu anderen Gesellschaften wenig Armut und keine riesigen politischen Gräben. Auch wenn man unterschiedliche Ansichten hatte sprach man noch miteinander. Das hat sich nun geändert.
Sie haben einige Bücher geschrieben. Um welche Inhalte geht es? "
Im Buch "Das Solidaritätsprinzip" geht es um das Gesundheitssystem. Ich habe aber auch ein Buch zum Bedingungslosen Grundeinkommen geschrieben; es trägt den Titel “Vom Wert des Menschen”. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen hätte uns vor vielen der derzeitigen Probleme nicht bewahrt – aber es gäbe viel weniger Menschen, die sich mit der derzeitigen Kostenexplosion schwer tun, wenn es eines gäbe. Ein Grundeinkommen ist keine Alternative zur Arbeit (Studien sagen, dass fast alle Menschen soviel arbeiten würden wie bisher, oder sogar mehr, weil sie dann was tun können, was ihnen Sinn gibt), sondern ein Mittel zum Respekt der Menschenwürde.
Wie kann man Grundlagen schaffen, auf denen ein harmonisches Miteinander aufbauen kann?
Indem alle Menschen genug zum Leben haben und auch der politische Diskurs die Menschen nicht gegeneinander ausspielt. Österreich wird im Ausland manchmal als “Neidgesellschaft” beschrieben. Ich denke dass es viel mehr positives gibt als Neid. Den Neid gibt es, aber der wird auch von Politikern befeuert, die ihre eigene Macht dadurch stärken, dass sie ihre eigene Wählerschaft gegen andere Gruppen ausspielen.
Welche Errungenschaften der letzten Jahre haben Einfluss auf Menschheit genommen?
Das ist eine so große Frage dass ich sie in so einem kurzen Format nicht beantworten kann. Gerne ein andermal!
Was genießen Sie, wenn sie durch Ihre Heimatstadt Feldkirchen gehen?
Die Ruhe (im Vergleich zu Wien) und die Nähe zur Natur.
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Zur Person
Barbara Prainsack wuchs in Feldkirchen auf. Nach der Matura zog es sie zum Studium nach Wien. Heute ist Prainsack Professorin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Dort leitet sie Forschungsgruppe "Zeitgenössische Solidaritätsstudien" (CeSCoS) sowie die Forschungsplattform "Governance of Digital Practices". In ihrer Arbeit untersucht sie die sozialen, regulatorischen und ethischen Dimensionen der Biomedizin und der Biowissenschaften. Aktuelle Forschungsprojekte konzentrieren sich auf Personalisierte und "Präzisions"-Medizin, auf die partizipative Praktiken in Wissenschaft und der Medizin sowie auf die Rolle der Solidarität in Medizin und Gesundheitswesen. Barbara Prainsack ist Mitglied der Österreichischen Bioethikkommission und Vorsitzende der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der neuen Technologien, die die Europäische Kommission berät. Sie ist Mitglied der britischen Royal Society of Arts, gewähltes ausländisches Mitglied der Dänischen Königlichen Akademie der Wissenschaften, gewähltes Mitglied der Academia Europaea (AE), und korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Sie ist Honorary Professor an der Fakultät für Soziale und Politische Wissenschaften der Universität Sydney, und und hält weitere ehrenamtliche Affiliationen am Centre de recherche en éthique (CRE) an der Universität Montreal, Kanada, am Department of Global Health & Social Medicine am King’s College London, sowie am Centre for Health, Law, and Emerging Technologies (HeLEX) an der Universität Oxford.
Bücher: Personalized Medicine: Empowered Patients in the 21st Century? (New York University Press, 2017) und Solidarity in Biomedicine and Beyond (mit Alena Buyx, Cambridge University Press, 2016). Ihr neues Buch: The Pandemic Within: Policy Making for a Better World (mit H. Wagenaar) ist im August 2021 bei Policy Press erschienen.
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