Funktioniert unser Euro eigentlich noch?
Experten diskutieren an der Universität über Schuldenkrise und Zukunft der EU.
Knapp drei Stunden wurde beim 22. Klagenfurter Stadtgespräch über die Zukunft der EU diskutiert. Am Podium: Jurist Reinhard Rack war 14 Jahre EU-Abgeordneter; Reinhard Neck ist Präsident der veranstaltenden Sir Karl Popper Foundation und Volkswirtschafts-Professor. Richard Kühnel vertritt die EU in Wien und Volkswirt Wilhelm Hankel hat sich als Euro-Kritiker einen Namen gemacht. Geleitet wurde die Diskussion – von „wiwi aktuell“ und dem Institut für Rechtswissenschaften mit Johannes Heinrich mitveranstaltet – von WOCHE-Chefredakteur Uwe Sommersguter.
Kühnel vermisst „den Optimismus. In Europa wird auf hohem Niveau gejammert“. Dass Europa „in einer fundamentalen Krise, die hausgemacht ist“, steckt, bestritt auch er nicht. „Jetzt zeigen sich Konstruktionsschwächen, die wir beheben müssen. Europa leidet an einer Vertrauenskrise – wir haben einen Mangel an Selbstvertrauen.“ Rack dazu: „Wunderwuzzi-Lösung für den Euro gibt es keine – wir sollten Optimisten bleiben.“ Er erinnert: „Auch die Republik Österreich war ziemlich phantasievoll bei der Buchhaltung – viele Schulden wurden nicht mitgezählt.“
Ratingagenturen sieht Rack kritisch: „Die Leistungen der Agenturen werden ja von Auftraggebern eingekauft.“ Ganz anders Hankel: „Es ist eine Gehirnwäsche, wenn behauptet wird, die Marktwirtschaft würde die Staaten gefährden – das Gegenteil ist der Fall.“
Die Märkte seien nach „zehn Jahren Tiefschlaf“ aufgewacht: „Die Ratingagenturen haben erkannt, wozu sie da sind.“ Hankel sprach über „Euro-Lügen“ – etwa, dass auf jedem Euro-Schein kyrillische Schriftzeichen zu finden waren, ehe Griechenland aufgenommen wurde: „Von Anfang an stand fest, dass dieses schwächste Glied in der Kette in die Euro-Zone aufgenommen wird.“
Hankel vermutet einen „Staatsstreich von oben – Europa ist nicht demokratisch“. Er glaubt, dass eine europäische Fiskalunion wie die Sowjetunion untergehen werde.
Auch Kühnel sprach die Rolle der Märkte an: Diese würden „immer ungeduldiger, doch die EU kann nicht so rasch reagieren wie die USA oder es die Märkte verlangen.“ Aber: „Wir haben schon viel auf den Weg gebracht, als es darum ging die Krise in der Realwirtschaft zu dämpfen“. Und: „Der Euro funktioniert; der Kurs zum Dollar ist sogar zu hoch.“
Dritte Phase der Krise
Neck stellt klar: „Es gibt keine Euro-Krise, sondern eine Staatsschuldenkrise.“ Dies sei „die dritte Phase“: „Zuerst Finanzkrise, dann Wirtschaftskrise, dann Staatsschuldenkrise.“ Der Euro sei stärker als die D-Mark. „Alle, die behaupten, der Euro sei ein Teuro, lügen. Es ist auch ein Märchen, dass die Staatsschulden etwas anderes wären als Schulden eines Privaten.“
Euro-Bonds hält Neck für „die perverseste Idee überhaupt – das wäre so, als müsste die ganze Familie für die Sünden eines Einzelnen zahlen.“
Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone sei kein Thema: „Die Schulden nicht zurückzahlen können die Griechen in Euro genau so gut wie in Drachmen.“ Entschieden gegen Europa als Transferunion tritt Hankel auf: „Damit ändern wir das Konzept Europas von einer liberalen zu einer sozialistischen Union – eigentlich: eine Fusion.“ Niemand könne sagen, dass „ein griechischer Euro gleich einem österreichischen ist. Hier findet eine Aushöhlung der Kaufkraft statt.“
Auch die Behauptung, der Euro funktioniere, sei falsch, so Hankel, denn er habe seine wesentliche Funktion der Zukunftssicherung verloren: „Wenn das Geld die Funktion als Aufbewahrungsmittel verliert, ist dessen Zurückweisung ganz nah. Und: In dieses Geld wird nicht mehr investiert.“
Wohin der Zug fährt, macht Neck deutlich: „Die wahrscheinlichste Lösung ist ein Durchwursteln. Das ist keine Katastrophe – sie wird dadurch aber auch nicht verhindert.“ Neck schlägt vor: „Die Schweiz als Blaupause für Europa.“
Die Schweiz hätte zwei Dinge: „Tiefgehenden Föderalismus und direkte Demokratie – die demokratische Legitimation fehlt den europäischen Institutionen.“ Ähnlich Rack und Kühnel, der sogar meint: „Der politische Wille ist stark – wir brauchen mehr Europa, kein Auseinanderdriften. Die Chancen für Europa standen schon lange nicht mehr so gut.“
Autor: Uwe Sommersguter
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