Kommt eine zweite Krise? 10 Antworten

Wirtschaftsforscher Karl Aiginger spricht sich gegen Erhöhung der Abgabenquote zur Sanierung des Budgets aus | Foto: Wifo
  • Wirtschaftsforscher Karl Aiginger spricht sich gegen Erhöhung der Abgabenquote zur Sanierung des Budgets aus
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Geht es mit unserer Wirtschaft wieder bergauf? Wo liegen die Chancen für das Wirtschaftswachstum? Wo die Risiken? – Wirtschaftsforscher Karl Aiginger antwortet in der WOCHE auf zehn Fragen zur Entwicklung in Österreich.

1. Ist die Wirtschaftskrise überwunden?
Karl Aiginger: Die Wahrscheinlichkeit einer neuen Krise mit sinkender Wirtschaftsleistung ist gering. Die Weltwirtschaft wächst heuer um vier bis fünf Prozent, die in den US um drei, in Europa um zwei Prozent. Das Wachstum ist breit gestreut, nicht nur in China und Asien, sondern sogar erfreulicherweise in Afrika. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit kleiner Krisen, von einzelnen Banken, Firmen und auch Gemeinden gegeben; die Wirtschaftspolitik muss wachsam bleiben.

2. Welche Branchen und Bereiche erholen sich am besten? Welche sind Nachzügler?
Die Produktion in der Industrie, und hier wieder exportorientierte Betriebe, haben stärkere Einbrüche gehabt, sie erholen sich jetzt auch rascher, ohne in der Regel die Vorkrisenproduktion erreicht zu haben. In der Baubranche wurden Konjunkturprogramme wirksam, die Erholung des Industriebaus und des Wohnbaus ist nicht sichtbar. Im Fremdenverkehr steigen die Gästezahlen, die Aufenthalte werden kürzer und kurzfristiger gebucht.

3. Manche befürchten, dass die Erholung eine Zwischenblase ist. Wie hoch ist die Gefahr eines erneuten Einbruchs?
Die europäische Konjunktur hat später von der Krise profitiert, jetzt ist die Produktion besonders in Deutschland rasch gestiegen. Die US-Wirtschaft hat im Sommer nach starkem Anstieg eine Pause eingelegt. Die notwendige Konsolidierung der Budgets beschränkt auch das Wachstum. Dieses könnte daher 2011 gleich hoch oder niedriger liegen als 2010. In diesem Sinne wirkt die Krise nach, sie hat Rucksäcke hinterlassen in Form hoher Arbeitslosigkeit, hoher Schulden und verringerter Dynamik bei Bildungs-, Umwelt- und Forschungsinvestitionen. Unternehmen, Konsumenten und Banken wollen sich weniger verschulden als vorher – eine im Prinzip gesunde Einstellung, aber es dürfen nicht alle zugleich machen.

4. Wann wird das Niveau von vor der Krise erreicht sein?
Das ist nach Branchen unterschiedlich. Bei technologischen Gütern mit steigender Nachfrage, etwa bei Umwelt und Energie ist es schon der Fall. Ebenso bei Firmen, die die dynamischen Märkte in Asien beliefern. Es setzen sich Wachstumsdifferentiale wieder durch, die vor der Krise bestanden haben, die Verlagerung niedrigwertiger Produktion ins Ausland wird ebenfalls noch stärker werden, ebenso die Exportchancen bei hochwertigen Produkten und Dienstleistungen.

5. Welche Risiken sehen Sie für eine nachhaltige Erholung der Wirtschaft?
Das größte Risiko nach Ländern geht derzeit von der unsicheren Situation in den USA aus, und in der Frage ob die Budgetkonsolidierung in Griechenland, Irland und Portugal gelingt. Die nordischen Länder, die vor der Krise in Technologie investiert und positive Budgets hatten, wachsen stark. Der Ruf nach einfachen Lösungen, Populismus und lineare Kürzungen verhindern den Schuldenabbau und beeinträchtigen die Konkurrenzfähigkeit Österreichs.

6. Die öffentliche Hand bewegt sich zwischen Stimulation der Wirtschaft und dem Spargebot – welche Impulse braucht die Wirtschaft derzeit noch?
Die Konsolidierung muss auf die Nachfrage und auf die Wachstumswirkungen Rücksicht nehmen. Das bedeutet aktive Arbeitsmarktpolitik mit Qualifizierungen und Zuwachsraten bei Investitionen in Kinderbetreuung, Bildung und Forschung – nicht nur geringe Kürzungen wie bisher geplant. Programme für thermische Sanierung sollen forciert und konzentriert im Winterhalbjahr durchgeführt werden, wo die Arbeitslosenrate inklusive Schulungen sich wieder in Richtung 350.000 bewegen wird. Im Kern der Sozialleistungen soll es keine Einschnitte geben, aber bei Privilegien wie Hacklerpension & Alleinverdie-nerfreibetrag Kinderloser.

7. Welche Einsparungspotenziale sehen Sie?
Die Konsolidierung soll vorwiegend durch Kürzung von Ausgaben stattfinden. Österreich hat zu viele Spitalsbetten, die ausgelastet werden müssen und damit effizientere Behandlungen verhindern. Die Subventionen sind deutlich höher als in anderen Ländern. Doppelgleisigkeiten zwischen Bund und Ländern sollen beseitigt werden. Heeresspitäler mit fünf Prozent Auslastung sind zu schließen bzw. in Pflegestationen umzubauen. Eine Erhöhung der Abgabenquote – besonders eine Erhöhung der Umsatzsteuer – sollte möglichst verhindert werden, da sie in Österreich schon höher ist als in anderen Ländern. Eine Veränderung der Steuerstruktur Richtung ökologischer Steuern wäre sinnvoll, kurzfristig zur Senkung des Defizites, langfristig zur Senkung der Sozialabgaben bei niedrigen Einkommen. Mehr Steuergerechtigkeit soll nicht zu einer höheren Abgabenquote genutzt werden, sondern zur Entlastung niedriger Einkommen – dies sichert Arbeitsplätze.

8. In Deutschland geht die Erholung deutlich rasanter voran als in Österreich, warum?
Deutschland ist jetzt zehn Jahre der Nachzügler gewesen, Österreich ist um zehn Prozentpunkte rascher gewachsen, und die Wirtschaftsleistung ist auch in der Krise weniger zurückgegangen. Jetzt ist der Aufschwung stärker, begünstigt durch eine gute Exportsituation in China.

9. Kann Österreich vom Aufschwung in Deutschland profitieren?
Die Konjunktur in den Nachbarländern hilft. Österreich kann und soll aber auf Grund eigener Stärken wachsen, und diese beruhen auf Qualifikation, Innovation und Vorreiterrolle im Umweltbereich.

10. Welche Branchen beurteilen Sie für Österreich als die Branchen der Zukunft?
Im Dienstleistungsbereich haben Gesundheits- und Informationsberufe gute Aussichten, im Industriebereich technologische Branchen und Unternehmen im Umwelt- und Energiebereich. Die Alterung ist erfreulich, bedarf aber der Anpassung von Berufsbildern, Karrieren und persönlichem Verhalten. Qualifizierung wird das wichtigste Problem.

Autor: Gerd Leitner

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