Nordmanngasse 60
Nach Gebäudeabriss herrscht Katerstimmung im Donaufeld
Die Abrissarbeiten in der Nordmanngasse 60 wurden inzwischen abgeschlossen. Doch sie hinterlassen einen faden Beigeschmack. Die Bürgerinitiative "Freies Donaufeld - Donaufeld ins Wiener Immergrün" ist empört und spricht von einem systematischen Vorgehen.
WIEN/FLORIDSDORF. In der Osterwoche rückte der Bagger an - seine Mission durchaus umstritten. Auf dem Gebiet der Nordmanngasse 60, inmitten des Donaufelds, wurde ein alter landwirtschaftlicher Gebäudekomplex abgerissen. Er sei einsturzgefährdet und die Freigabe durch die zuständigen Behörden sei erteilt worden, wurde der BezirksZeitung vor Ort erklärt - wer die Gebäude sah, der musste zugeben, dass sie in die Jahre gekommen waren.
Doch hier stößt man nur auf die Spitze des Eisberges. Viel mehr geht es hier um eine Grundsatzfrage: Soll die verbliebene grüne Lunge des Donaufelds Platz für neuen Wohnraum schaffen - und: was geschieht mit den zahlreichen tierischen Bewohnern? Geplant sind auf dem Gebiet zahlreiche neue Wohnanlagen für tausende Menschen, um der steigenden Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum folge zu leisten. Der Widerstand gegen diese Pläne hat sich aber längst formiert. Die Bürgerinitiative "freies Donaufeld - Donaufeld ins Wiener Immergrün" möchte das grüne Kleinod erhalten und auch die dort lebenden Tiere schützen.
Zahlreiche geschützte Tierarten
So auch auf dem entsprechenden Gelände in der Nordmanngasse, wie Gabriele Tupy von "Freies Donaufeld" erklärt: Hier befand sich einer der Biodiversitätshotspots des Donaufeldes – mit einem kleinen Teich, der den streng geschützten Wechselkröten als Laichgewässer dient, mit dornigen Sträuchern, in denen jedes Jahr der Neuntöter brütete, Sperlinge und Hausrotschwänze nutzen das alte Gemäuer eines Hühnerstalles und die alte Bewässerungsanlage als Nistplätze, außerdem rechneten wir mit streng geschützten Fledermäusen an dieser Stelle."
Die Bürgerinitiative erstattete deshalb gegen den Abriss eine Anzeige gegen Paragraph 10 des Wiener Naturschutzgesetzes. Daraufhin erhielt man Antwort von der zuständigen MA22-Umweltschutz, erzählt Tupy: "Dem Bauträger sei der Auftrag erteilt worden, die abzubrechenden Gebäude von einer ökologischen Aufsicht nach Gelegen geschützter Vogelarten zu durchsuchen, sowie nach sonstigen geschützten Tierarten, wie etwa der Wechselkröte."
Die Abrissarbeiten wurden daraufhin wieder kurz unterbrochen - nur um dann einen Tag später fortgeführt und beendet zu werden. "Und das, nachdem wir auch Foto-Belege an die MA 22 gesendet haben. Wir forderten die sofortige Einstellung der Abbrucharbeiten und ein fachkundiges Monitoring der dort lebenden Arten", zeigt sich Harald Illsinger von der Bürgerinitiative sehr verärgert.
Klare Vorgaben
Die entsprechende Magistratsstelle 22 - Umweltschutz, stellte auf Nachfrage der BezirksZeitung klar: "Nach den Bestimmungen des Wiener Naturschutzgesetzes ist es verboten Nester, in denen Eier bereits bebrütet werden, zu entfernen.
Zur Vermeidung, dass es zu einer Übertretung der Bestimmungen des Wiener Naturschutzgesetzes kommt, wurde den Bauträgern der Auftrag erteilt, dass das abzubrechende Gebäude von einer ökologischen Aufsicht zu durchsuchen ist, ob sich Gelege geschützter Vogelarten an oder im Gebäude befinden. "
Außerdem sei der Auftrag erteilt worden, zu überprüfen, ob sich sonstige geschützte Tierarten, wie etwa die Wechselkröte, im Gebäude befinden. Das Ergebnis der Untersuchung war, dass sich derzeit keine Gelege in den Nestern befinden und im Gebäude auch sonst keine anderen geschützten Tierarten festgestellt werden konnten.
Die MA22 fährt fort: "Die Bauträger wurden von der Naturschutzbehörde darauf hingewiesen, dass ein Abbruch nur dann erfolgen darf, wenn das Gebäude unmittelbar vor Beginn der Arbeiten von der ökologischen Aufsicht nochmals durchsucht wird, sich weiterhin keine Gelege in Nestern befinden und die Abbrucharbeiten unter Begleitung der ökologischen Aufsicht stattfinden."
Die Wut ist groß
Auch sei den Bauträgern aufgetragen worden vor Durchführung der Abbrucharbeiten entsprechende Ersatznistkästen für Vögel an umliegenden Bäumen anzubringen. Diese seien vor Beginn der Abbrucharbeiten auch montiert worden.
Doch die Bürgerinitiative gibt sich damit nicht zufrieden und schäumt vor Wut. "Was hier geschieht, ist in Wien systemimmanent. Hier passieren aus unserer Sicht immer wieder klare Verstöße auch gegen europäisches Naturschutzrecht und ‚niemand ist schuld‘, weil sich ohnehin alle an die Vorgaben des Systems gehalten haben“, so Gabriele Tupy.
So habe es über Jahre hinweg immer wieder Übertretungen gegeben. Der Gebäudeabriss sei nun das vorerst letzte Kapitel, in dem "verbrannte Erde im Donaufeld" hinterlassen wurde, so Tupy und Illsinger. Die Betriebsstätte und das Wohnhaus in der Nordmanngasse 60 seien dem Erdboden gleichgemacht worden – mit Wissen der MA22 und der Wiener Umweltanwaltschaft.
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