Leserbrief: "Wozu soll ich wählen gehen?" von Roland Löffler
„Wozu soll ich überhaupt wählen gehen!“, werde ich speziell vor Wahlen von Jugendlichen im Zuge meiner beruflichen Tätigkeit als Kursleiter für beschäftigungslose Jugendliche gefragt. Ich selbst bin weder ein Parteimitglied, noch politisch engagiert und trotzdem, oder gerade deshalb, konnte ich auf diese häufig gestellte Frage eine Vielzahl von Antworten geben: Gelebte Demokratie, Mitbestimmung, Bürgerpflicht, uvm… Speziell wenn es um Gemeinderatswahlen ging, Wahlen bei denen es um Menschen und Anliegen vor Ort geht, war das Verständnis für die Sinnhaftigkeit vom allgemeinen Wahlrecht schnell gegeben. – Bis zum Aschermittwoch dieses Jahres zumindest. An diesem Tag kam in meiner Bezirksstadt eine Nachricht an die Öffentlichkeit, die das Demokratieverständnis vieler junger Menschen erschütterte. In Zeiten von Abwanderung und steigender Arbeitslosigkeit sei es plötzlich nicht mehr angebracht, Politik FÜR die Menschen zu machen, es solle nun Politik, der persönlichen Machtbefriedigung willens, praktiziert werden. Getreu nach dem Motto: „Koste es was es wolle, der Machthunger muss gestillt werden!“ Die Themen Konsens, Zusammenarbeit und Kompromissbereitschaft mögen aus den Köpfen ferner EU-Politiker schon länger entfernt worden sein, auf Gemeindeebene zählte der Bürger jedoch stets auf ein Miteinander, auf ein Miteinander Reden. So wurden beispielsweise Posten, wie die des Vizebürgermeisters, auch mal freiwillig an die zweitstärkste Partei abgegeben um eine möglichst breite Arbeitsbasis FÜR die Menschen zu schaffen. Man trug Entscheidungen gemeinsam zum Wohle der Bevölkerung. Dies ist nun Vergangenheit. Nun gibt es einen neuen Weg! Wie erklären wir jedoch diese neue Ellbogentaktik unserer ohnehin bereits politikverdrossenen Jugend? Wie erklärt die neue Bürgermeisterin den jungen Menschen/ ihren Schülern, dass es plötzlich „in“ ist, sich als Zweiter die Krone aufzusetzen? Wie erkläre ich meiner Tochter die Unterschiede der Jahre 1934, 2000 und 2015? Haben wir daraus etwas gelernt? Oder wartet bereits die nächste Verbündete unseres Landeshauptmannes, auf ihre „Chance 2020“ in der einwohnerreichsten Gemeinde unseres Bezirkes, es ihrer Parteikollegin gleichzutun? Ich schäme mich, dies stellvertretend unserer Jugend erklären zu müssen. Ich schäme mich!
Roland Löffler, Schrems via E-mail
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.