"Schuster, bleib (nicht nur) bei deinen Leisten!"

Während Ludwig Kaltseis die Vergangenheit des Schuhhandwerks lebendig hält, liegt Heini Staudinger (r.) dessen Zukunft am Herzen. | Foto: Ludwig Kaltseis
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  • Während Ludwig Kaltseis die Vergangenheit des Schuhhandwerks lebendig hält, liegt Heini Staudinger (r.) dessen Zukunft am Herzen.
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Peuerbach (bic). Vierzig Leute halfen ehrenamtlich ein halbes Jahr mit, bis das Schuhmachermuseum eröffnet werden konnte. "Die Ausstattung stammt von meinem Onkel aus Eschenau, bei dem ich der letze Schuhmacherlehrling war", erklärt Museumsleiter Ludwig Kaltseis. "Damals fuhr ich im Winter mit den Skiern zu meinem Lehrplatz und im Sommer mit dem Rad", erinnert er sich. Es war üblich, zu den Bauern auf die Stör zu gehen. "Für die Bauersleute fertigten wir Schuhe aus hochwertigem Rindsleder an, für die Knechte und Mägde wurde Schweinsleder verwendet." Das Leder ließen sich die Bauern selbst gerben. "Und beim Zuschneiden schauten sie auch immer ganz genau zu, damit sich der Schuhmacher nicht heimlich Leder abzweigte!" Die Bezahlung erfolgte oft in Naturalien wie Butter, Fleisch oder Eiern. Bis zum fertigen Schuh waren an die hundert Arbeitsschritte nötig. Kein Wunder, dass die Lehre früher sieben Jahre dauerte. "Und es war Tradition, dass ein Schuhmacher eine Schneiderin heiratete, denn die beiden Berufe ergänzen sich." Auch er selbst gab einer Schneiderin das Ja-Wort.

Vertrauen, Mut und Liebe
Dass Ludwig sein Wissen und seine Erlebnisse mit dem Waldviertler Schuh- und Finanzrebell Heini Staudinger teilen durfte, erfüllte ihn mit großer Freude. Umgekehrt hörte er dann am Abend gebannt zu, als der Waldviertler im Melodium seine eigene Lebensgeschichte erzählte. "Selten war der Saal so voll und hörten die Leute einen so interessanten, lustigen und gleichzeitig berührenden Vortrag wie diesen!" so der Museumsleiter. Am Beispiel der Schuhindustrie erklärte Staudinger mit einfachen Worten den zerstörerischen Wahnsinn unserer geldfixierten Wirtschaft. "Obwohl wir in Europa 25 Millionen Arbeitslose haben, wird nichts höher besteuert als die Arbeit!" so der Schuhrebell. Erzeugten wir all die Schuhe, die in Europa gekauft werden, auch hier in Europa - und nicht in China - würde dies zwei Millionen Arbeitsplätze schaffen. "In europäischen Ländern, die früher eine florierende Schuh- und Textilindustrie hatten, ist die Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch, und wir züchten Menschen, die keine Zukunft und nichts zu verlieren haben!" warnt Staudinger, der in seiner Schuhfabrik jährlich sechs Lehrlinge ausbildet. So mancher Zuhörer nahm sich beim Hinausgehen vor, sich im Leben vor weniger zu fürchten, sich gegen Ungerechtigkeit zu wehren, mehr Vertrauen zu haben, weniger auf das Geld zu schauen und mehr zu lieben.

Weniger ist mehr
Die beiden Schuhbegeisterten sind sich einig, dass wir heute mehr Schuhe haben als je zuvor, aber kaum wissen, wie sehr ein falscher Schuh den Körper auf Dauer schädigt. "Früher besaß man zwei Paar Schuhe, eines für den Sommer und eines für den Winter. Sie hielten ein Leben lang. Wenn nötig wurden sie repariert und meist bedeckten sie die Knöchel, denn die Wege waren schlecht." Ein Ort ohne Schuhmacherwerkstätte war bis vor einigen Jahrzehnten unvorstellbar. Heute ist Staudinger einer der wenigen, der noch in Österreich produziert. "Und ich bin vielleicht auch der einzige Schuhproduzent, der den Leuten rät, sie sollten sich nicht soviele Schuhe kaufen, dafür aber gescheite!" Wer wissen will, was eine Schusterkugel ist, weshalb man ein Schlitzohr so nennt, was des Schusters Leisten sind oder warum ein Schuhmacher das Recht hat, Wild mit Pfeil und Bogen zu erlegen, wird gerne von Ludwig Kaltseis durchs Museum geführt. Anmeldung: 0664/1948869.

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