Corona-Krise
Spezialisierung und hohe Eigenkapitalquote als Anker
Eine hohe Eigenkapitalquote ist unökonomisch, aber in der aktuellen Situation ein Sicherheitspolster.
SCHLÜSSLBERG (cg). Der 1990 gegründete Familienbetrieb H+H Menswear wird in zweiter Generation von Leonard Hufnagl geführt. Der Spezialist für Businessanzüge setzt bei Material und Handwerk auf kurze Lieferwege und stemmt sich gegen giftige Fahrt- und Transportchemie.
„Wir arbeiten nur mit europäischen Familienunternehmen zusammen. Diese Wertschöpfungskette bringt uns in der jetzigen Situation große Vorteile. Wir rechnen damit, dass unsere Strukturen auch nach der Corona-Krise im Groben erhalten bleiben“, ist Hufnagl optimistisch.
Das Schlüßlberger Unternehmen lässt die Stoffe in Europa produzieren und daraus Anzüge fertigen. Selbst Fäden und Knöpfe stammen aus Europa. Er stellt sich, wie Firmengründer Arnold Hufnagl, allerdings die Frage, wie sich die gesamte Textilbranche weiterentwickeln wird. „Wenn ich in Europa so produziere wie große Konzerne in Fernost bin ich im Gefängnis. Großkonzerne haben sich eine Gesetzeslücke geschaffen. Solange mit zweierlei Maß gemessen wird, bringen wir uns gegenseitig um“, beschreibt Hufnagl die Probleme der Branche. In Schlüßlberg geht man seit Beginn einen anderen Weg und setzt auf hochwertige Stoff- und Schneidertechnik. Hier werden Anzüge in rund 70 Größen geführt, die in rund 50 verschiedenen Varianten auf Lager sind. Aufgrund dieser Spezialisierung ist der Online-Verkauf kein Thema, auch nicht in Zeiten von Corona.
„Wir haben ein hochspezifisches Hauptprodukt, das online nicht verkaufsfähig ist. Es lebt von Beratung und Haptik. Das betrachten wir als Vorteil und Überlebensstrategie, um gegen die großen Online-Riesen zu bestehen.
Für uns ist zwar der Onlineshop nicht relevant, sehr wohl aber Onlinewerbung“, so Hufnagl. Der Firmenchef rechnet damit, dass die nächsten Monate noch von starken Auf- und Abbewegungen gekennzeichnet sein werden und es eine Weile dauern wird, bis sich die Situation nach der Corona-Krise wieder stabilisiert. In seinem Unternehmen war ein Worst-Case-Szenario vorhanden, doch auch diese Strategie hat ein Limit.
„Der Staat muss über seine Steuerpolitik nachdenken. Wenn Firmen nach 14 Tagen das Geld ausgeht, ist etwas am System falsch. Solange in Österreich Eigenkapital und Gewinne, die im Unternehmen bleiben, besteuert werden, wird es immer schwer sein, auf Krisen zu reagieren. Genau das ist jetzt das Problem. Unsere Eigenkapitalquote von über 90 Prozent ist aufgrund der Besteuerung unökonomisch, aber in der jetzigen Situation wichtig“, ist Hufnagl überzeugt.
Er geht davon aus, dass die Unternehmen Jahre brauchen, um wieder dort zu sein, wo sie vor Corona waren.
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