S45 in der Krise?
Fahrgäste beschweren sich über ständig defekte Aufzüge, zu viele alte Garnituren und trügerisches Informationssystem
Früher galt „barrierefrei“ als Synonym für „behindertengerecht“. In einer Stadt, die gleichzeitig jünger und älter wird, in der sich also mehr Menschen mit Kinderwägen oder mit Mobilitätseinschränkungen fortbewegen, trifft das nicht mehr zu. Barrierefreiheit ist längst kein Luxus mehr, sondern eine Grundvoraussetzung für das Mobil-Sein eines stetig zahlreicher werdenden Bevölkerungsteils. Leider hinkt das öffentliche Angebot der steigenden Nachfrage hinterher.
Gehemmte Mobilitätswende?
Unter Fahrgästen der S45 häuften sich zuletzt Beschwerden. Eine Serie von Aufzugausfällen an Ausgangs- oder Zielbahnhöfen hat verdeutlicht, dass ein Lift pro Bahnsteig schlichtweg nicht genug ist, um die Mobilität aller Fahrgäste zu gewährleisten. Das spürten die vielen Kinderwagen-Führenden in der S45 zuletzt teilweise mehrmals wöchentlich. Anfang Juni strandete in Hernals auch eine Rollstuhlfahrerin am Bahnsteig. Der Aufzug war wieder einmal ausgefallen. Ihr blieb somit nichts anderes übrig, als auf die nächste Niederflurgarnitur zu warten und bei der nächsten Station mit einer geänderten Route zu versuchen, an ihr Ziel zu kommen.
Doch kamen (zumindest der subjektiven Wahrnehmung vieler S45-Nutzer zufolge) zuletzt auch wieder vermehrt Hochflurgarnituren aus den 1970er-Jahren zum Einsatz. Für Ältere und Familien bedeutet das oft, dass sie einfach 10-15 Minuten auf die nächste Niederflurgarnitur warten müssen; manchmal gar 20-30 Minuten, denn auch zwei Hochflurgarnituren in Serie werden von den ÖBB nicht grundsätzlich vermieden. Selbst an der Vorortelinie, die bei Älteren und Familien besonders beliebt scheint und gerne für kurze Fahrten genutzt wird.
Nur Glück verhinderte Schlimmeres
Wird der Einstieg trotzdem versucht, kommt es nicht selten zu Komplikationen. Wie Lokalmedien berichteten, kam es im Sommer 2016 zur Abfahrt einer S45-Garnitur mit einem Kinderwagen, allerdings ohne die dazugehörige Mutter. Nach einem anstrengenden Hebevorgang waren die Türen zwischen beiden zugeknallt, der Zug fuhr danach ab. Über Bewegungssensoren verfügt das 70er-Jahre-Wagenmaterial noch nicht.
Ende Mai 2017 kam es, nun am Bahnhof Ottakring, fast zu einem ähnlichen Vorfall mit einer Altgarnitur. Eine betagte Dame mit einem Sauerstoffgerät hatte dieses gerade auf den hohen Treppen abgestellt, um im zweiten Schritt selbst auf diesen stehen zu kommen. Wieder schlossen sich die schweren Türen, die Versorgungsröhre zwischen Frau und Gerät einklemmend. Die Frau geriet in Panik, vermochte die Türen aber nicht mit eigener Kraft zu öffnen. Zum Glück sah dies der Zugführer noch rechtzeitig.
Verkehrsdienstleiter mit Kommunikationsproblem
Manche Probleme könnten mit einem Informationssystem verhindert werden, wie es auch von den Wiener Linien betrieben wird. Man kann sich vorab schlau machen, ob das angepeilte Fahrzeug barrierefrei ist oder nicht und demnach handeln. Diese Information wird grundsätzlich auch über das ÖBB-App angeboten; nur trifft sie verblüffend oft nicht zu. Einfahrende Altgarnituren werden regelmäßig irrtümlich als Niederflurfahrzeuge ausgewiesen. Wissen die ÖBB möglicherweise nicht, welche Garnituren auf ihren Gleisen unterwegs sind?
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