Schloss Thalheim Classic
Künstlerischer Leiter zieht positives Jahresfazit
Ein schwieriges Jahr neigt sich dem Ende zu. Wolfgang Gratschmaier zieht im Bezirksblätter-Interview seine Bilanz.
THALHEIM (bw). "Im Prinzip kann man über das Corona-Jahr sagen, dass wir trotz alledem erfolgreich waren", verlautbart Wolfgang Gratschmaier sein positives Resümee über dieses außergewöhnliche Jahr. Im Gespräch mit den Bezirksblättern plaudert der Künstlerische Leiter von Schloss Thalheim Classic über Herausforderungen, die Wichtigkeit von Kunst und Kultur sowie die Zukunft des Livestreams.
Bezirksblätter: Mit welchen Emotionen würden Sie das "Corona-Jahr" beschreiben?
Wolfgang Gratschmaier: Ich sehe das so wie im Theater, mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Weinen um alle Menschen, die bisher ihr Leben verloren haben. Und ein liebevolles Lächeln für die, die sich jeden Tag beruflich umstellen mussten. Natürlich auch ein Lächeln für die Familien und alle Menschen, die aktiv in dieser Not geholfen haben. Große Hochachtung und Chapeau von meiner Seite her.
Was waren die größten Herausforderungen und kann man aus diesem Jahr auch positive Erfahrungen ziehen?
Die Planungsunsicherheit war die größte Herausforderung in Bezug auf unsere Schlosstätigkeit. Positiv war wirklich die Zusammenarbeit. Anastasia Irmiyaeva vom Europaballett hat das Sommerfestival "La Rose" geleitet. Wir haben es wirklich geschafft, trotz dieser Schwierigkeiten die wir gehabt haben, das Sommerprogramm mit nur einer Absage durchzuführen. Ich muss unserem Team wirklich danken. Es halten alle zusammen, gerade jetzt in der schwierigen Zeit war das sehr positiv.
Denken Sie, dass die Menschen durch die Einschränkungen heuer erkannt haben, wie wichtig Kunst und Kultur sind?
Die Menschen leiden sehr unter der Tatsache nicht ins Theater gehen zu können. Und das hat einen ganz bestimmten Grund: Unser Konzert- und Theaterwesen ist ja immer ein Moment einer gemeinsamen Seelenfindung. Und zwar gemeinsam mit seinen Liebsten. Die wenigsten Menschen gehen alleine ins Theater, sie kommen immer in Gruppen. Ich muss ganz ehrlich sagen – um auch ein politisches Wort zu äußern – ich bin ein bisschen enttäuscht von unserer Hochpolitik. Uns habens auf Platz 8 gestellt. Vor uns kommen auf Platz 6 noch die Freibäder und auf Platz 7 die Bordelle. Also das Wasserplanschen und der Damenbesuch sind noch vor der Kultur gereiht, weil wir angeblich nicht systemrelevant sind. Aber wenn man es genau nimmt, das was von uns Menschen bleiben wird, wenn es uns nicht mehr gibt, ist die Kultur. Übrig bleiben wird ein Bild von Vincent van Gogh. Der übrigens in seiner Lebzeit auch kein einziges Bild verkauft hat. Wahrscheinlich war er nicht systemrelevant.
Vieles wird derzeit online abgehalten. Könnten Sie sich vorstellen, dass Konzerte auch künftig per Livestream stattfinden?
Ich möchte da, wie vorher, der Regierung sagen: Setzt die Kultur ein bisschen höher auf. Ich würde mir eine höhere Akzeptanz wünschen und ich würde mich sehr freuen, wenn der ORF jede Woche Live-Veranstaltungen aus den verschiedensten Institutionen zeigen würde. Der Live-Charakter ist ganz wichtig. Wir wollen Formel 1 oder Skifahren live erleben und ich glaube, dass auch das Theater und das Konzert wieder live gezeigt werden sollten. Man darf nicht vergessen: Die Kultur ist mittlerweile 3,5 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Das ist eine riesengroße Branche geworden in der ungefähr 180.000 Profis beschäftigt sind.
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