Seit dreißig Jahren Fiaker aus Leidenschaft
Mit Romantik hat das Leben als Fiaker nur mehr wenig zu tun. Das musste auch Martin Stelzel feststellen. Mühevoll versucht er, sein Unternehmen in der Stiegengasse 11 über Wasser zu halten.
(bar). Drei Mal hat er mit seinem Gespann schon Wolfgang Amadeus Mozart zu Grabe getragen und auch Maria Theresia durfte er schon in der Kutsche führen. Denn der alteingesessene Mariahilfer Martin Stelzel ist nicht nur Fiaker aus Leidenschaft, sondern wirkt auch immer wieder bei Spielfilmproduktionen mit.
Kaum ein Passant weiß, was sich hinter der unscheinbaren grünen Tür in der Stiegengasse 11 verbirgt. Dahinter beginnt das Reich von Martin Stelzel. „Früher hatte ich hier in diesem Stall sogar sieben Pferde. Nun sind es nur mehr zwei“, erklärt der 70-Jährige. Der unbedarfte Besucher würde kaum mehr Platz in dem verwinkelten Stall vermuten, als nun von den beiden Halblipizzanern Barbarella und Pamina eingenommen wird.
Kindheitsträume
Mit dem Fiakerbetrieb erfüllte sich der hagere Mann einen lange gehegten Traum. „Seit meiner Kindheit hatte ich mit Pferden zu tun. Gemeinsam mit meiner Schwester verbrachte ich die letzten Kriegsjahre im Herrenhaus meines Onkels in Mauthausen“, erzählt Stelzel. „Der Umgang mit Pferden gehörte in unserer Familie zum guten Ton.“
Eigentlich hatte Stelzel ja eine ganz andere Berufslaufbahn eingeschlagen. Auf der Höheren Grafischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt wurde er zum Grafiker ausgebildet. Gemeinsam mit dem Künstler Hermann Nitsch drückte er dort die Schulbank. Seine erste Anstellung trat er im Dr. Peter Müller Verlag an. Mit seinem ersten Geld versuchte er aber dennoch, seinen Traum umzusetzen. Bei der ASKÖ absolvierte er regelmäßig Reitstunden.
Während Stelzel aus seinem Leben erzählt, schreitet er die enge Treppe in den ersten Stock hinauf, wo die Werkstatt untergebracht ist. Werkzeuge und Lederwaren stapeln sich dort zu einem unüberschaubaren Haufen. Der rüstige Pensionist bearbeitet dort seine Sättel und Zaumzeuge.
Stelzel hatte das Handwerk der Sattelei von Grund auf gelernt. Alles, was er heute weiß, hat ihm der renommierte Sattler der Spanischen Hofreitschule, Fritz Grabenwöger, gezeigt. „Die Meisterprüfung habe ich dann aber leider doch nicht gemacht“, erzählt er.
Schwerer Anfang
Doch der Anfang als Fiaker wurde ihm nicht leicht gemacht. Seit 1967 hatte er ein Fuhrwerk mit Gewerbeberechtigung und bot dieses für Fahrten an – ohne jedoch eine Fiakerkarte zu besitzen. „Die Konkurrenten haben mich teilweise gewaltsam verjagt. Eine Zeit lang musste ich sogar eine Gaspistole mit mir führen“, so Stelzel.
Drohender Untergang
Erst 1978 erhielt der gelernte Grafiker eine Fiakerlizenz aus der Hinterlassenschaft eines Bekannten. Seit über 30 Jahren übt er nun diesen Beruf mit großer Hingabe aus. Doch nun droht dem Unternehmen das Aus. „Das Gebäude, in dem der Stall untergebracht ist, soll verkauft werden. Ich besitze aber ein Vorverkaufsrecht“, erklärt er. Herbert Kaspar, Sachwalter des Besitzers Johann Hertrich, meint dazu: „Dazu gibt es unterschiedliche Sichtweisen.“
Martin Stelzel sieht mit Bangen der letzten Fahrt seines Unternehmens entgegen. „Damit müsste ich meine Leidenschaft endgültig an den Nagel hängen“, stellt der eingefleischte Fiaker fest. „Einen Umzug schaffe ich nicht mehr.“
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