Klimaschutz-Kampagne
Was der Klimarechnungshof am Volkskundemuseum prüfte
Die Kampagne "Klimarechnungshof jetzt!" am Wiener Volkskundemuseum entwarf ein Konzept für eine neue staatliche Institution. Diese soll Projekte und staatliche Maßnahmen auf ihre CO2-Bilanz prüfen und schauen, ob sie sich mit den staatlich gesetzten Klimazielen in Einklang bringen lassen. Nun wurden die Ergebnisse von vier Prüfungen präsentiert.
WIEN/JOSEFSTADT. Viel mehr Personen hätten an der Tafel nicht mehr Platz gehabt, die in einem kleinen Raum im Volkskundemusem aufgebaut worden war. Versammelt waren hier sieben durchaus unterschiedliche Charaktere von der Friday-for-Future-Aktivistin Jasmin Lang über den Sprecher des Klimaschutz-Volksbegehrens Christian Kdolsky bis hin zu Milena Bister, Wissenschaftlerin am Institut für Europäische Ethnologie.
Sie alle hatte in den letzten eineinhalb Jahren ein Thema vereint: Sie waren wesentlich an der Initative "Klimarechnungshof jetzt" beteiligt - die BezirksZeitung hat berichtet, siehe auch den Artikel unten. Dieses Projekt wollte modellhaft eine Institution entwerfen, so ähnlich wie den schon existierenden Rechnungshof, die verschiedene Klimaschutzmaßnahmen der Politik auf Leib und Nieren überprüft. Konkret sollte ein Klimarechnungshof überprüfen, wie sich diverse Projekte, Gesetze und Maßnahmen, die die Politik umsetzt, auf die selbst gesetzten Klimaschutz-Ziele auswirken.
Auch Wien hat zum Beispiel ja erklärt, bis 2040 klimaneutral werden zu wollen. Ein Klimarechnungshof könnte nun Projekte konkreter auf ihre Auswirkungen prüfen und Empfehlungen aussprechen. Auf den 8. Bezirk heruntergebrochen etwa: Was bringt der Umbau der Pfeilgasse zur Fahrradstraße und der Entfall von Parkplätzen wirklich für die CO2-Bilanz der Stadt?
Die Bereitstellung von Fakten als Ziel
"Die Klimafrage polarisiert zunehmend und wird von der Tagespolitik in veranwortungsloser Weise instrumentalisiert", erklärte Alexa Färber, Initatorin der Kampagne. Und Kdolsky ergänzte: "Österreich braucht eine unabhängige und evidenzbasierte Kontrolle klimarelevanten, staatlichen Handelns, um Fakten außer Streit zu stellen und Politik zum Handeln zu verpflichten."
Am Volkskundemuseum wurde nun seit Monaten an dieser Idee gefeilt. Unter anderem wurde die Öffentlichkeit auch dazu aufgerufen, "Eingaben" von Projekten zu machen, die ein Klimarechnungshof überprüfen könnte. Vier davon wurden ausgewählt und von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Projekts, darunter mehrere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, überprüft. Wobei laut Bister natürlich klar war: "Wir haben nicht die Mittel und die Einsicht in Daten, die ein 'echter' Klimarechnungshof hätte." Trotzdem konnte man mit gewissen Modellrechnungen und öffentlich bekannten Informationen viele Annahmen und Aussagen treffen.
40 Eingaben, Netzwerk von 200 Personen
Letztlich gab es so 40 Eingaben verschiedener Personen, von denen kürzlich tatsächlich vier ausgewählt und von den Teilnehmenden der Initiative auf ihren Beitrag bzw. Schaden zum Klimaschutz überprüft wurden. Wie viele Personen am Ende konkret bei den einzelnen Prüfungen mitwirkten, konnte man bei der Pressekonferenz gar nicht genau sagen - das ganze sei ein sehr fließender Prozess gewesen, bei dem über persönliche Treffen und Videokonferenzen zahlreiche Menschen mitgewirkt haben. Über die vergangenen eineinhalb Jahre habe man sich so ein großes und breites Netzwerk aufgebaut. "Dieses Netzwerk umfasst mittlerweile wohl zirka 200 Leute", schätzt Bister.
Auf der Pressekonferenz wurden zudem kurz die vier Prüfergebnisse von den vier herausgepickten Eingaben vorgestellt. Eine davon war etwa die Umweltprüfung beim Bau des Westringtunnels in Linz (A26). In Oberösterreich soll hier ein zirka vier Kilometer langer Tunnel entstehen, der als Westumfahrung von Linz dienen soll. Damit will man unter anderem auch den Verkehr in der Innenstadt entlasten - das Projekt wird seit Jahrzehnten geplant und diskutiert, soll aber kommendes Jahr tatsächlich umgesetzt werden.
Der "Westring Linz" am Prüfstand
Daniel Huppmann, seines Zeichens Klimawissenschaftler, skizzierte nun die Probleme, die der fiktive Klimarechnungshof bei diesem Projekt sähe. Wesentlich dabei: der CO2-Ausstoß, der durch diese Projekt entsteht. Will Österreich seine Klimaschutzziele langfristig erreichen, muss der CO2-Ausstoß stark sinken. Hier läge laut Huppmann das Problem: "Österreich ist kein Klimamusterland. Die CO2-Emissionen sind heute genauso groß wie 1990."
Das "Sorgenkind" der österreichischen Klimapolitik sei hier der Verkehr, wo besonders viel Abgas freigesetzt wird. Zudem werde durch den Bau von Straßen Boden versiegelt, was Klimaschutz-technisch ebenso schlecht sei.
Konkret zum Westring in Linz sagte der Wissenschaftler dann: "Die Kosten sind zuletzt von ursprünglich 500 Millionen Euro auf 1,2 Milliarden Euro angestiegen." Das sei Geld, das man auch in den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel hätte stecken können. Zudem erwarte sich laut Hubbmann auch die ASFINAG eine Zunahme des Autoverkehrs, wenn man den Westring wie geplant umsetze. Es werde quasi bequemer, zum Beispiel als Pendlerin oder Pendler mit dem Auto nach Linz zu fahren.
Aus Klimaschutz-Sicht sei das kontrapruduktiv, weil dadurch der CO2-Ausstoß weiter erhöht werde. Besonders kritisch zu sehen sei bei dem Projekt außerdem, dass nie eine sogenannte strategische Umweltprüfung durchgeführt worden sei. Diese sei aber dringend nötig, um die Folgen eines solchen Großprojekts überhaupt richtig abschätzen zu können.
Evaluierung empfohlen
Der fiktive Klimarechnungshof empfiehlt daher den zuständigen Stellen eine "dringliche Re-Evaluierung der verkehrsstrategischen Entscheidung für die Genehmigung des Baus des Westringtunnels", wobei auch ein Abgleich mit den aktuellen Verkehrsprognosen und Verkehrskonzepten für Linz und Umland stattfinden sollte.
Das Beispiel zeigt also, wie ein Klimarechnungshof in der Praxis arbeiten könnte. Für die Macherinnen und Macher ist das aber noch nicht das Ende der Initiative. Laut Färber brauche es "für die Generationen übergreifende Aufgabe der Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen" eine Institiution wie die von der Gruppe skizzierte. Also "ein der Wissenschaft verpflichtetes Kontrollorgan, das nicht Staatshaushalte, sondern CO2-Budgets überprüft". Dafür wolle man sich auch künftig einsetzen und in "Kampagnenform" als Gruppe weiterarbeiten.
Zur Sache
Das Projekt "Realfiktion Klimarechnungshof" wird vom Wissenschaftsfond FWF gefördert. Weitere Infos gibt's auf der Website des Projekts.
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