Jede Dienststelle verfolgt Strategien
"Zu vermieten" - ein A4 großer ausgedruckter Zettel deutet in der Polizeistation des Hauptbahnhofes Klagenfurt auf die derzeitige Lage hin. Zumindest an diesem Tag nimmt man es mit Humor, sagen die Polizisten, die gerade den Dienstwechsel hinter sich gebracht haben. "Wir überlassen es dem Leser der Botschaft herauszufinden, ob damit lediglich das Büro in der Polizeistation gemeint ist, oder wir Polizisten selbst, die zu vermieten sind", scherzt ein Wachbeamter.
Wie berichtet, fallen im Bezirk Klagenfurt Stadt und Land drei Polizeiposten der Reform zum Opfer (Posten Hauptbahnhof Klagenfurt, Lambichl, Pischeldorf).
Von Ruhe am Posten ist derzeit aber keine Spur - Bürger treten dem Gebäude mittleweile die Türe ein, behaupten zumindest die zehn Polizisten, die dort offiziell ihren Dienst versehen. "Die Bürger wollen wissen, wie weit die nächste Polizeistelle entfernt ist", erklärt der Beamte, der namentlich nicht genannt werden darf. Diesbezüglich können man Besorgte allerdings beruhigen. Der Posten in St. Ruprecht ist nur knapp einen Kilometer entfernt. Was aber mit der Einsparung des Postens am Hauptbahnhof fehlen wird ist die ständige Überwachung am Bahnhof sein - "Es ist und bliebt ein Brennpunkt in dieser Stadt", sagt ein Polizist und verweist auf die rund 450 Einsätze pro Jahr.
Prävention durch Bürgernähe
Bezirkshauptmann Johannes Leitner erklärt, warum ihm „jede einzelne Schließung weh tut“: „Jede Dienststelle bei uns hat andere strategische Funktionen.“ In Pischeldorf ist das die Überwachung des Ausgrabungsgebietes und der Görtschitztal Bundesstraße, in Lambichl jene des Durchzugsverkehrs und ein großes Thema ist die Einbruchskriminalität im Speckgürtel von Klagenfurt. Die betroffenen Gemeinden zeichnet außerdem eine zersiedelte Struktur aus.
Leitner: „Durch die Schließung wird meiner Meinung nach Bürgernähe und Vertrauen abgebaut, die interne Arbeit wird nicht abgebaut. Das ist ein Spar- und kein Reformprogramm.“ Leitner weiter: „Auch wenn mehr Streifen versprochen wurden: Die Schwerpunktaufgaben sind immer örtlich, also dort, wo die Dienststelle ihren Sitz hat. In den von den Schließungen betroffenen Gemeinden kommt dann also immer die Wegstrecke dazu.“
Die eher geringen Zahlen der Einsatzstatistik (Lambichl: 70, Pischeldorf: 44) erklärt sich Leitner anders: „In der Statistik sieht man nicht, wie viel durch Bürgernähe der Beamten im Vorfeld schon vermieden wurde.“
Die Gemeindevertreter geben den Kampf um ihre Posten jedenfalls noch nicht auf. Köttmannsdorf und Maria Rain bringen eine fraktionsübergreifende Resolution ein, Magdalensberg "kämpft" mittels Petition und Unterschriftenliste.
Zur Sache: Entfernungen (zeitlich)
Bis Mitte Februar soll feststehen, welche Dienststellen die zu schließenden "mitbetreuen", so Bezirkspolizeikomm. Markus Fheodoroff. Noch ist alles offen.
Doch: Wie schnell ist die Polizei im besten Fall von den nächstgelegenen Dienststellen in den drei größten Ortschaften? Sehr viel längere Wartezeiten sind nicht zu befürchten:
Gem. Magdalensberg
Pischeldorf:
- von Maria Saal: 14 min.
- von Grafenstein: 12 min.
- heute: sofort
Lassendorf:
- von Maria Saal: 16 min.
- von Grafenstein: 13 min.
- heute: 5 min.
St. Thomas:
- von Maria Saal: 15 min.
- von Grafenstein: 16 min.
- heute: 7 min.
Gemeinde Maria Rain
Maria Rain:
- von Ferlach: 13 min.
- von Ebenthal: 14 min.
- heute: 7 min.
Göltschach:
- von Ferlach: 16 min.
- von Ebenthal: 9 min.
- heute: 10 min.
Tschedram:
- von Ferlach: 13 min.
- von Ebenthal: 14 min.
- heute: 4 min.
Gem. Köttmannsdorf
Köttmannsdorf:
- von Ferlach: 17 min.
- von Feistritz: 10 min.
- heute: 8 min.
Tschachoritsch:
- von Ferlach: 19 min.
- von Feistritz: 8 min.
- heute: 9 min.
Trabesing:
- von Ferlach: 16 min.
- von Feistritz: 12 min.
- heute: 5 min.
"Es geht um die Psychologie"
Schiefling ist seit über zehn Jahren ohne Posten. Präsenz ist dieselbe.
SCHIEFLING. Seit über zehn Jahren gibt es schon keine Polizeiinspektion in Schiefling. Man wird von Reifnitz "mitversorgt". Bgm. Valentin Happe schildert seine Erfahrungen.
WOCHE: Haben Sie nach der Schließung Veränderungen bemerkt?
HAPPE: Nein. Entscheidend ist eine gute Zusammenarbeit mit dem zuständigen Posten und die haben wir mit Reifnitz. Ich kann überhaupt nicht sagen, dass es bei uns seitdem weniger Präsenz gibt.
Muss man in Klagenfurt Land durch die zentrale Lage die Situation anders beurteilen?
Ja, denn die Entfernungen sind nicht dramatisch. In Randregionen, den Tälern, sind Posten wichtig, auch wenn sie vielleicht unwirtschaftlich sind. Da geht es – neben der Entfernung – um die psychologische Komponente. Viele denken: Es gibt kaum noch Infrastruktur. Warum soll ich dann hierbleiben?
Das sagen die Geschäftsleute:
"Polizei vor Ort wirkt beruhigend"
(ka). Melanie Konetschnig, Mitarbeiterin im Fahrdienst-Büro der ÖBB, hält die Schließung für eine "Katastrophe", gerade für Frauen: "Wir beginnen morgens um 5.30 Uhr und die Dienste hören um 19.45 Uhr auf. Es gibt Zeiten, da sind wir weibliche Mitarbeiterinnen einige Stunden alleine", schildert sie Bedenken. Kollegin Elisabeth Kogler: "Gerade am Wochenende kommt es zu Zwischenfällen mit Betrunkenen." Im Bahhofs-Lokal "Die Reste" ist die Postenschließung Thema Nummer eins, weiß Natalie Eder. "Schon alleine zu wissen, dass die Polizei vor Ort ist, finde ich beruhigend", so die Kellnerin. Günther Lätzsch von der Bahnhofstrafik vertritt den Sohn. 40 Jahre war der Bahnhof sein Arbeitsplatz. "Wenn man künftig einen Notruf tätigt, wird der Pizzadienst schneller vor Ort sein als die Polizei."
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