"Freier Zugang zur Hochschule hat versagt"

- Beatrix Karl
- hochgeladen von Vanessa Pichler
Wissenschaftsministerin Beatrix Karl spricht sich für Studiengebühren und Uni-Aufnahmetest aus.
WOCHE: Sind Sie mit der Forschungsquote zufrieden?
Beatrix Karl: Die Forschungsquote in Österreich liegt derzeit bei 2,76 %. Das bedeutet derzeit Platz fünf in der EU. Allerdings haben wir beim Output noch Nachholbedarf, da sind wir nur an siebenter Stelle. Bis 2020 wollen wir eine Forschungsquote von 3,76 % erreichen – ein sehr ambitioniertes Ziel.
Wie ist das zu erreichen?
Wir müssen an den Universitäten neben Forschung und Lehre die Innovation als dritte Säule etablieren. Sprich: Wie kann es uns verstärkt gelingen, das Wissen, das an den Universitäten entwickelt wird, zum innovativen Produkt oder zur innovativen Dienstleistung am Markt werden zu lassen. Dazu möchte ich etwa Wissenstransferzentren etablieren, die als Drehscheibe zwischen Wissenschaft und Wirtschaft dienen.
Ist die Steigerung der Forschungsquote finanzierbar?
Es braucht eine gemeinsame Kraftanstrengung: Forschung wird ja nicht nur durch die öffentliche Hand, sondern auch durch die Wirtschaft finanziert. Im Jahr 2010 wurden 7,8 Mrd. Euro aufgewendet, davon sind 3,2 Mrd. von der öffentlichen Hand. Um das gemeinsame Ziel von 3,76 % F&E-Quote zu erreichen, müssen wir Rahmenbedingungen für Wissenschaft und Wirtschaft weiter verbessern, dass Investitionen auch für Private noch attraktiver werden.
Sind die Hochschulen finanziell ausreichend ausgestattet?
Mir ist klar, dass die Universitäten ab 2013 einen Mehrbedarf haben. Um den laufenden Betrieb aufrechterhalten zu können, benötigen sie rund 250 Mio. Euro pro Jahr mehr. Es braucht auch – neben den öffentlichen Mitteln - eine stärkere private Finanzierung.
In welcher Form?
Durch Studienbeiträge und durch die Wirtschaft. Hier hinken wir im internationalen Vergleich stark nach. Im europäischen Schnitt werden die Universitäten zu 73 % von der öffentlichen Hand finanziert, in Österreich zu 80 %.
Wie sieht Ihr Modell für Studiengebühren aus?
85 % der Einnahmen sollen an der jeweiligen Universität bleiben. 15 % möchte ich für einen Ausbau des Stipendien-Systems verwenden. Neben den Studienbeiträgen und dem Ausbau der Studienförderung soll ein zinsbegünstigtes Darlehen-System dazukommen. Warum soll jemand, der es sich leisten kann, für das Studium nicht einen finanziellen Beitrag leisten?
Kommen für Sie nachgelagerte Gebühren in Frage?
Das wäre auch eine Variante. Ich bin gerne bereit, über verschiedene Modelle zu diskutieren. Aber bisher war es ganz egal, welches Modell man der SPÖ präsentiert hat, es kam immer nur ein „Nein“ – das ist mir zu wenig.
Erwarten Sie sich dadurch sinkende Drop-out-Quoten?
Hohe Drop-out-Quoten sind vor allem in den Massenfächern ein Problem. An der Wirtschaftsuniversität Wien haben wir zum Beispiel eine Drop-out-Quote von 80 %. Zum Vergleich: An den Med-Unis hatten wir vor Einführung der Aufnahmeverfahren eine Drop-out-Quote von rund 50 %. Jetzt, also mit Aufnahmeverfahren, liegt sie bei rund fünf Prozent. Auch die Studiendauer hat sich verkürzt. Wir sehen allgemein: Der offene Hochschulzugang hat versagt, denn er hat weder zu einer höheren Akademikerquote geführt, noch zu einer besseren sozialen Durchmischung an den Universitäten.
An der Uni Klagenfurt wird über die Zukunft Massenfaches Publizistik diskutiert.
Die Regelung des Hochschulzugangs wäre in den Massenfächern sehr wichtig, um für mehr Qualität zu sorgen. Die Qualität leidet unter dem Massenphänomen, sowohl für Studierende als auch Lehrende. Mit der Straffung der Studieneingangsphase ab Herbst ist ein erster Schritt gesetzt. Die Studierenden sollen im ersten Semester erkennen, ob sie für ein Studium geeignet sind.Weiters sind wir gerade dabei, die Studienwahlberatung auszubauen.
Sollte man nicht studieren, wofür man sich interessiert?
Natürlich muss ein Studium den eigenen Neigungen und Eignungen entsprechen. Aber: Ich finde es ehrlicher, wenn Studierende möglichst rasch wissen, ob sie für ein Studium geeignet sind oder nicht. Die hohen Drop-out-Raten in den Massenfächern gibt es oft auch in den höheren Semestern. Davon will ich wegkommen.
Interview von Gerd Leitner
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