Im Orgelbau sollte Zeit keine Rolle spielen
Hinter den Kulissen bei Familie Ottitsch: Hier arbeiten Eltern wie Kids an der Königin der Instrumente.
FERLACH (vp). Pfeifen, Register, Windladen, Ventile oder Gehäuse gehören zum Leben von Familie Ottitsch aus Ferlach. In Österreich und dem angrenzenden Ausland ist die Familie für ihre Orgeln bekannt. Aufgebaut hat das Familienunternehmen Walter Ottitsch, ab 1956 Orgelbauer von Beruf, im Jahr 1981. Sohn Bernhard begeisterte das Handwerk von Kindheit an und so folgte er seinem mittlerweile verstorbenen Vater nach.
Ganze Familie involviert
Gattin Nicole und die Söhne Bernhard und Samuel haben sich auch ganz dem Orgelbau verschrieben. Im zweiten Bildungsweg erlernte Nicole den Beruf der Staffiererin und Vergolderin, Bernhard absolviert gerade eine Lehre als Kunstschmied und auch Samuel hilft mit, wo er kann. Dass der Beruf von Generation zu Generation von einer Hand in die andere weitergegeben wird, ist üblich.
Neubau bis Konservierung
In der Orgelbauwerkstätte werden nicht nur neue Orgeln gefertigt, sondern auch Instrumente restauriert und konserviert. Von der Zeichnung bis zum fertigen Klang geschieht hier alles in Eigenregie. Sehr oft haben die Ottitschs es heute noch mit Kriegsschäden bei den schönen Instrumenten zu tun. "In den 90er-Jahren haben wir zur Hälfte neue Orgeln gebaut. Heute bauen wir kaum Neubauten, im Vordergrund steht die Erhaltung", so Bernhard Ottitsch.
Bio-Beruf
"Orgelbau ist ein Bio-Beruf", lacht Nicole Ottitsch. Sie meint damit, dass ausschließlich Naturmaterialien - hauptsächlich Holz, Metall und Leder - verarbeitet werden. Bei Holzpfeifen für dumpfe Töne und schöne Flöten kommt meist Fichten-, Birnen- und Nussholz zum Einsatz. Bei Metallpfeifen für die hellen Klangkronen ist es eine Zinn-Blei-Legierung. Ist eine Metallpfeife beschädigt, wird sie eingeschmolzen. So bleibt die spezielle Legierung erhalten und die neue Pfeife wird daraus neu gemacht, Abfall fällt nicht an.
Auf den Spuren der Orgelbauer
Bei der Restaurierung kommt neben der Bestandsaufnahme der Schäden auch der Forschung ein hoher Stellenwert zu. Oft gibt es über Herkunft und Überarbeitungen keine Aufzeichnungen. Ottitsch: "Ich schaue dann, ob jemand seine Handschrift hinterlassen hat, sehe auch an der Verarbeitung, welcher Orgelbauer einst daran gearbeitet hat und wann." So lässt sich rekonstruieren, wie sich Orgelbauer-Familien, die früher meist wie Nomaden gelebt haben, bewegt haben." Spannend wird es für Familie Ottitsch auch, wenn man es mit einer Orgel zu tun bekommt, die von Bernhards Vater Walter gebaut wurde. "Ich bin oft auf den Spuren meines Vaters, mit dem ich 30 Jahre lang zusammengearbeitet habe. So ist er für uns trotz seines Todes nie weg."
Maschinen benutzt Ottitsch hauptsächlich zur Holzbearbeitung. "Fertigstellen kann man im Orgelbau mit einer Maschine gar nichts. Dazu braucht man immer die Hände." Praktisch: Sohn Bernhard fertig eigens Werkzeuge für das Handwerk an.
Überhaupt nutzen Maschinen oft nichts, denn bearbeitet man alte Orgeln, muss man sich auch ins alte Handwerk hineinversetzen, um so originalgetreu wie möglich zu arbeiten. Da nutzt Ottitsch etwa keinen Strom, rechnet ohne Taschenrechner. Im Orgelbau werden Maße übrigens in Fuß und Verhältnissen angegeben.
Die Familie ist viel unterwegs, trägt bei Orgeln einfach abzubauende Teile ab, um daheim zu restaurieren. Geht das nicht, wird vor Ort gearbeitet. Auch das Intonieren zum Schluss muss immer vor Ort passieren, vergleichbar mit dem Soundcheck eines Musikers. "Als Orgelbauer muss man das Instrument zwar nicht spielen können, sich aber mit Klangfarben auskennen." Zeit spielt bei diesem Beruf keine Rolle, sondern die Qualität am Ende, was auch dem Lebensstil der Ottitschs entspricht.
Wo Zeit trotzdem eine Rolle spielt, ist, wenn eine größere Veranstaltung ansteht und die Orgel nicht funktioniert. Dafür hat der Orgelbauer einen 24-Stunden-Notdienst eingerichtet. "Oft passt da nur eine Kleinigkeit nicht. Man muss bedenken: Eine Orgel funktioniert auf zehntel Millimeter Genauigkeit."
Zur Sache: Orgelbau Ottitsch
Orgelneubau: Alles wird in Eigenregie durchgeführt - von der Planung über die Zeichnung jedes einzelnen Teils eins zu eins auf Papierrollen bis zur technischen Umsetzung, Intonation und Oberflächengestaltung wie Vergolden oder Staffieren.
Der größte Orgelneubau der Ottitschs steht in Maria Rain, noch mit Vater Walter angefertigt.
Restaurierung: Hier spielt die Herkunft und wer die Orgel wann überarbeitet hat für die weitere Restaurierung eine große Rolle, weshalb Ottitsch auch Forschung betreibt und diese dokumentiert. Es werden die alten Materialien bei kleinen Spezialanbietern bezogen.
Die ältesten erhaltenen Teile bei Orgeln hierzulande gehen übrigens bis etwa ins Jahr 1650 zurück.
Konservierung: Um Schäden einzugrenzen (z. B. Holzwurm, Pilz, Schimmel) und weiteren vorzubeugen, werden Orgeln konserviert. Zurzeit ist etwa Schimmel ein großes Thema. Regelmäßige Wartung ist sehr wichtig.
Info:www.orgelbau.cc
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