Geboren 1914: Interview mit einer Hundertjährigen

Maria Zezelits: "Mein Gott, jeder wird alt und hat dann so seine Gebrechen." | Foto: Cornelia Grobner
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  • Maria Zezelits: "Mein Gott, jeder wird alt und hat dann so seine Gebrechen."
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Sie sind im Sommer hundert Jahre alt geworden, wie fühlen Sie sich?
MARIA ZEZELITS: "100 Jahre – wie das klingt! Der 100. Geburtstag, ja, der war schrecklich. Bin ich froh, dass die ganzen Feiern vorbei sind. Das war mir alles zu viel."

Ist es schön, so alt geworden zu sein?
MARIA ZEZELITS: "Ich bin glücklich, weil ich nicht alleine bin. Mir geht es gut. Leider kann ich keine Spaziergänge mehr machen, mir wird zu schnell schwindelig. Alle sind gestorben, meine Eltern, meine Geschwister, mein Mann. Aber ich habe noch meine Bridge-Damen. Als mein Mann gestorben ist, da war ich viel allein. Wenn mir fad war, habe ich den Autobus in die Wiener Innenstadt genommen. Dort bin ich herumspaziert und habe mir die Geschäfte angeschaut, damit der Tag vergeht."

Es heißt ja immer, alte Menschen sind weise. Fühlen Sie sich weise?
MARIA ZEZELITS: (lacht) Nein, naja. Solange es mir halbwegs gut geht und ich noch denken kann. Mein Gott, jeder wird alt und hat dann so seine Gebrechen. Aber in jungen Jahren, da denkt man nicht ans Alter. Zum Glück nicht! Wie sich alles verändert. (Sie schaut zum Fenster hinaus) Schauen Sie nur, wie der Wind geht. Der Winter kommt in Riesenschritten. Ich habe es gut: Ich habe eine Heizung und wenn das Wetter nicht schön ist, geh' ich einfach nicht fort. Und aus. Die Armen, denke ich manchmal, wenn ich die Leute draußen im Regen in die Arbeit rennen seh'. Aber naja, das ist halt das Leben."

Und Ihr Leben – hätten Sie rückblickend gerne irgendetwas anders gemacht?
MARIA ZEZELITS: "Nein, eigentlich nicht. Ich hatte ja so ein Glück! Ich habe eine Schneiderlehre gemacht. Wissen Sie, mein Vater war Schneider. Als ich ausgelernt hatte, herrschte so eine Arbeitslosigkeit. In der Palmers-Zentrale habe Sie eine Hilfskraft gesucht, da bin ich hin. In Schlangen sind die Menschen in der Dreihufeisengasse [Anm.: die heutige Lehargasse] für diese Arbeit angestanden. Was hatte ich für ein Glück, dass ich aufgenommen wurde. Dann habe ich 40 Jahre lange bei Palmers gearbeitet. Es ist mir gut gegangen."

Sie haben zwei Weltkriege miterlebt. Woran erinnern Sie sich?
MARIA ZEZELITS: "Ich erinnere mich nicht an den Ersten Weltkrieg, ich war ja ein Kind. Meinen Eltern ging es ganz gut. Mein erster Mann ist dann im Krieg gefallen. Wir haben 1939 geheiratet. 1940 wurde er eingezogen. Er ist in der Schlacht von Charkow [Anm.: das heutige Charkiw in der Ukraine] gefallen. Das war schrecklich (verstummt)."

Die große Liebe?
MARIA ZEZELITS: "Ja. Ja, er war meine große Liebe. Ich habe ihn in der Tanzschule in der Alserstraße kennen gelernt. Er war ein Schifahrer. Mein zweiter Mann war auch Schifahrer. Herrn Zezelits habe ich auf einer Feier bei einer Arbeitskollegin kennen gelernt. Er hatte ein zwei jähriges Kind ohne Mutter. Ich hatte zwei sehr liebe Männer."

Was hat Sie nach Klosterneurg verschlagen?
MARIA ZEZELITS: "Die Frau meines Zahnarztes hat mir berichtet, dass man in Klosterneuburg billig Tennisspielen kann. (lacht) Lauter solche Zufälle! Irgendwann haben wir eine Eigentumswohnung in Weidling gekauft, weil das ständige Herauspendeln war mühsam. Ich habe bis 80 Jahre Tennis gespielt, müssen Sie wissen. Als ich das aufgeben musste, habe ich es am Anfang schon sehr vermisst. Jetzt habe ich zum Glück mein Bridge: Ich spiele drei Mal pro Woche."

Im Jänner sind in Klosterneuburg Gemeinderatswahlen. Interessieren Sie sich für Politik?
MARIA ZEZELITS: "Nein, das interessiert mich nicht. Ich bin neugierig, wie es mit England und Schottland weitergeht. Meine Nachrichten darf ich nicht versäumen, das ist mein Heiligtum. Ich will wissen, was in der Welt passiert. Es passieren viele schreckliche Dinge. Furchtbar, diese Unglücke! Ob's das früher auch gegeben hat? Wahrscheinlich, man hat nur nicht so viel gelesen. Und was sagen Sie zu Conchita Wurst? Sie ist toll, da gibt's nichts. Aber dieses Zweierlei, dass man nicht weiß ... Das stört mich."

Warum? Ist doch schön, wenn jeder Mensch sein kann, wie er mag?
MARIA ZEZELITS: "So in der Öffentlichkeit, das wäre früher nicht denkbar gewesen. Aber ja sicher, es stimmt schon, warum nicht. Conchita ist wirklich tüchtig. Man soll keine Vorurteile haben."

Haben Sie einen Computer und ein Handy?
MARIA ZEZELITS: "Ein Handy habe ich, mein Sohn sagt, das brauche ich. Aber mit diesem Internet, mit dem fang' ich gar nichts an. Alles machen die Leute übers Internet – sogar einkaufen. Das muss ich nicht haben. Wieso kann man nicht selber einkaufen gehen? Ich brauch das nicht. Die Menschen heute glauben sie können ohne Internet und Facebook nicht leben. Und dann die vielen Autos!"

Hatten Sie früher ein Auto?
MARIA ZEZELITS: "Ja, ein kleines. Wenn mein Mann und ich mit unserem Renault zur Rax gefahren sind – wir waren auf der Neunkirchner Allee ganz alleine. Damals war die Arbeitslosigkeit so groß. Mein Mann war Bäckermeister in Wien und ich war ja auch berufstätig. Da haben wir uns das Auto gekauft, aber das durfte niemand wissen. Wegen der schlechten Nachrede."

Gibt es einen großen Wunsch, den Sie sich erfüllen möchten?
MARIA ZEZELITS:
"Was soll ich mir mit meinem Alter noch wünschen? Einzig, dass ich halbwegs bei Verstand bin und halbwegs gesund. Dass ich noch ein bisschen mitkomm'. Aber das steht halt in den Sternen, wie lange man es noch 'damacht'. Und dass ich nicht unter der Brücke schlafen muss (lacht) und mir das Altersheim weiter leisten kann – das ist das einzige, das mich noch bewegt."

Haben Sie Angst vor dem Sterben?
MARIA ZEZELITS:
"Ich muss sagen, so intensiv habe ich darüber noch nie nachgedacht. So lange ich momentan keine Schmerzen habe, so lange ich noch denken kann, freue ich mich jeden Tag aufs Frühstück. Das ist die beste Mahlzeit für mich: ein heißer Kaffee und ein Butterbrot mit Marmelade. Dazu der schöne Blick von dem Café auf die Weinberge. Die Stöcke sind so schön gesetzt, was strahlt dieser Anblick für eine Ruhe aus!"

Interview: Cornelia Grobner

ZUR PERSON
Maria Zezelits wurde am 14. August 1914 in Wien geboren. Sie lebte in Ottakring, dann im 9. Bezirk und schließlich mit ihrem zweiten Mann nach Weidling. Seit zehn Jahren wohnt sie im hiesigen Caritas Heim.

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