Biodiversitätsrat
Strombedarf bitte nur noch aus erneuerbaren Energiequellen

Wasserkraft als erneuerbare Energiequelle soll forciert werden. | Foto: Symbolfoto: Kleinwasserkraft.at
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Österreich hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 den Strombedarf nur noch aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Der Österreichische Biodiversitätsrat an der Donauuni Krems fordert, das öffentliche Interesse am Naturschutz bei Projekten miteinzubeziehen.

REGION. Das wichtige Ziel, den Strombedarf aus erneuerbaren Energiequellen zu decken, kann und muss unter Berücksichtigung weiterer Nachhaltigkeitsziele, insbesondere dem Schutz der Biodiversität, erreicht werden. Der Österreichische Biodiversitätsrat nimmt die aktuellen Ausbaupläne des Kraftwerks Kaunertal zum Anlass und fordert, das öffentliche Interesse am Naturschutz bei Projekten miteinzubeziehen.

Hoher Grad an Wasserkraft

Die Gewässer Österreichs weisen bereits einen sehr hohen Grad an Ausbau mit Wasserkraftwerken auf. Große und kleine Lauf- und Speicherwasserkraftwerke trugen im Jahr 2019 mit rund 57 % zur österreichischen Bruttostromerzeugung bei und kamen 2019 auf knapp 29 % der Primärenergieerzeugung. EU-weit lag dieser Anteil bei nur 4,5 % (Bundesministerium für Klimaschutz). Das „Land am Strome“ gilt deshalb weltweit als Musterbeispiel für die Erzeugung erneuerbarer Energie. Die Errichtung und der Betrieb von Wasserkraftwerken – und das ist die Kehrseite der Medaille – führten aber auch zu irreversiblen ökologischen Schäden. Nur noch 17 % aller Fließgewässer in Österreich werden als sogenannte „freie Fließstrecken“ (ohne Regulierung, Verbauungen und Querbauwerke) geführt. Außerdem entsprechen nur weniger als 40 % der Fließgewässer einem – entsprechend der gültigen Wasserrahmenrichtlinie (EU 2000/60/EG; AUT WRG. 1959 i.d.g.F.) – sogenannten guten oder sehr guten ökologischen Zustand. Eine weitere Verschlechterung dieser Situation darf nicht passieren.

Schutz aquatischer Lebensräume

Die Zerstörung aquatischer Lebensräume führt unmittelbar zu massiven Biodiversitätsverlusten: Mehr als 40 % der heimischen Fischarten sind in ihren Beständen bedroht oder regional ausgestorben. Auch wirbellose Tiere werden von der großflächigen Vernichtung von Lebensraum erfasst: Zum Beispiel gelten zumindest 41 % der in Österreich heimischen wasserlebenden Schnecken und Muscheln sowie der Libellen als stark gefährdet, vom Aussterben bedroht oder regional ausgestorben. Zudem sind viele landlebende Tiere, wie bestimmte Heuschrecken, Laufkäfer, Wanzen und Zikaden, die an Gewässer, natürliche Schotterbänke und deren Vegetation gebunden sind, bedroht. Darunter befinden sich eine Reihe endemischer – also einzig in Österreich vorkommende – Arten. Ihr weltweites Überleben hängt von einzelnen, kleinen Populationen in Österreich ab.
Fließgewässer haben überlebenswichtige Ökosystemfunktionen. Sie erhalten Nährstoffkreisläufe und werden vom Menschen als essenzielle Landschaftselemente zur Erholung, als Einkommensquelle im Tourismus, als Quelle von Trinkwasser oder Nahrung genutzt. Nicht umsonst sind Gewässer durch strenge Gesetze geschützt, die, und das ist ein großer Schwachpunkt im Sinne des Naturschutzes, immer wieder im Bedarfsfall ausgehebelt wurden und werden.

Laute Proteste gegen das TIWAG-Projekt „Ausbau Kraftwerk Kaunertal“

Aus Sicht des Biodiversitätsrates ist es nachvollziehbar, dass Optimierungen an bestehenden Wasserkraftanlagen vorgenommen werden. Das Projekt „Ausbau Kraftwerk Kaunertal“ der Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG) geht jedoch weit über eine Optimierung des Bestandes hinaus. Zu einer bestehenden Anlage sollen ein neuer Speicher, zwei weitere Stufenkraftwerke sowie ein zusätzlicher Kraftwerksbau entstehen. Dazu benötigt es die Errichtung sämtlicher Triebwasserwege und Überleitungsstollen sowie Wasserfassungen (Details: Tiwag, Ausbau Kraftwerk Kaunertal (AK)). Diese umfangreichen Ausbaupläne haben bereits zu lautstarken Protesten von NGOs („FlüssevollerLeben“), Bürgerinitiativen („lebenswertes kaunertal“) und Vereinen geführt. Die Einwände und das in der wasserwirtschaftlichen Verordnung für das Tiroler Oberland gesetzlich vorgegebene „Verschlechterungsverbot des jeweiligen Zustandes“ wurden in der Planung und Beurteilung des konkreten Projektes nicht berücksichtigt. Die Errichter und Befürworter_innen des Projektes argumentieren mit einem nicht näher definierten „öffentlichen Interesse“ am Projekt.
Österreichischer Biodiversitätsrat gegen massive Eingriffe in Biotope
Der Österreichische Biodiversitätsrat spricht sich in diesem konkreten Fall strikt gegen die Vernichtung eines der zwei letzten unverbauten Gletscherbachsysteme mit natürlichem Abflussregime sowie der angeschlossenen Moore und gegen die Zerstörung dieser alpinen Landschaften durch Bautätigkeit und Ablagerungen von Aushub und Abraum aus. Die geplante Entnahme großer Wassermengen aus ökologisch hochwertigen Fließstrecken der Venter Ache, der Gurgler Ache und ihrer Zuflüsse bedeutet einen schwerwiegenden Verlust an Lebensraum: Im hinteren Ötztal würde dadurch die natürliche Dynamik dieser Gletscherflüsse vollständig unterbunden und die Flüsse auf unzureichende Restwasserstrecken reduziert werden. Im Platzertal würden durch den Bau des geplanten Staudamms großflächige Moore vernichtet werden, welche aufgrund ihrer regionalen und ökologischen Bedeutung durch Ausgleichsmaßnahmen an anderen Standorten nicht gleichwertig kompensiert werden können. Moore sind neben ihrer ökologischen Bedeutung wichtige CO2-Speicher, und daher auch aus Klimaschutzgründen unbedingt zu erhalten.

Zielkonflikt „Öffentliches Interesse“

Das Projekt „Ausbau Kraftwerk Kaunertal“ steht im Widerspruch zu den Zielen europäischer und österreichischer Gesetze. In der österreichischen Verfassung sowie den Naturschutzgesetzen der einzelnen Bundesländer werden die verantwortlichen Regierungen zu umfassendem Umweltschutz verpflichtet. In allen Gesetzen (auch im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP)) wird der Umweltschutz als öffentliches Interesse geführt. Der Österreichische Biodiversitätsrat unterstützt den naturverträglichen Ausbau erneuerbarer Energie im Sinne der Energiewende, betont jedoch gleichzeitig das öffentliche Interesse am Schutz der Artenvielfalt und Ökosysteme, welche essenzielle Lebensgrundlagen des Menschen sind. Der umfangreiche Ausbau des Kraftwerks Kaunertal wäre ein massiver Eingriff und eine Vernichtung von Teilen dieser Lebensgrundlagen.
Biodiversitätsrat fordert Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an Artenvielfalt
Der Österreichische Biodiversitätsrat schlägt daher anlässlich dieses konkreten Beispiels für alle Projekte der Energiegewinnung die Einbeziehung von Biodiversitätsexpert_innen in Planung und Entwicklung vor und fordert die Projektträger_innen auf, alle öffentlichen Teilinteressen, welche durch ein Projekt betroffen sind, gleichwertig zu behandeln. Gleichzeitig ruft der Rat dazu auf, das Potenzial von Energiesparmaßnahmen zu forcieren, um gar nicht erst zusätzliche Energieanlagen errichten zu müssen.

Wasserkraft als erneuerbare Energiequelle soll forciert werden. | Foto: Symbolfoto: Kleinwasserkraft.at
Windkraft gehört zu den erneuerbaren Energiequellen. | Foto: Symbolbild: Pixabay/distelAPPArath

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