ÖVP-FPÖ-Arbeitszeitnovelle: In die Hände spucken - Zum Wohl der Arbeitgeber!

- hochgeladen von Oliver Plischek
Die tatsächlich geleistete Arbeit beträgt in Österreich aktuell 42,7 Stunden pro Woche, das bedeutet EU-weit Platz 2 hinter Griechenland. Noch zu wenig, meint dieÖVP-FPÖ-Regierung und beschließt ohne Diskussion und ohne Begutachtung eine Gesetzesnovelle zur "Arbeitszeitflexibilisierung", das mit 1. September 2018 in Kraft getreten ist. De facto handelt essich dabei um ein Wunschpaket der Großkonzerne, das für die Arbeitgeber nur Vorteile, für die Arbeitnehmer nur Nachteile bringt.
Während die Normalarbeitszeit weiterhin 8 Stunden bzw. 40 (oder 38,5) Wochenstunden beträgt, wird die Höchstarbeitszeit von 10 auf 12 Stunden täglich bzw. von 50auf 60 Stunden wöchentlich hinaufgesetzt. In speziellen Fällen (wie zur Verhinderung eines unverhältnismäßig wirtschaftlichen Nachteils) war dies bisher schon möglich. Dazu mussten aber dieZustimmung des Betriebsrats bzw. eine schriftliche Vereinbarung und ein arbeitsmedizinisches Gutachten eingeholt werden. Diese "bürokratischen Erfordernisse" (wie sie gerne von derIndustriellenvereinigung bezeichnet werden) sind jetzt nicht mehr notwendig. Es reicht ein "erhöhter Arbeitsbedarf". Betriebsrat und Arbeitnehmer haben KEIN Mitspracherecht mehr.
Laut § 7/6 AZG haben die Arbeitnehmer aber das Recht, Überstunden ohne Angabe von Gründen abzulehnen, wenn die Tagesarbeitszeit von 10 Stunden oder dieWochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird. Auch darf eine Benachteiligung hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Versetzung nicht stattfinden. Bei einer Kündigungwegen der Überstunden-Ablehnung können die Arbeitnehmer innerhalb von 2 Wochen diese anfechten. Klingt wie ein Märchen aus 1001 Nacht. Kein Mitarbeiter wird aus Angst vor einem Jobverlust(bei aktuell ca. 350.000 registrierten Arbeitslosen in Österreich) Überstunden ablehnen, sondern stattdessen lieber in Kauf nehmen, dass sein Familienleben oder seine körperliche Gesundheit denBach runtergehen. Dazu muss man wissen, dass es in Österreich keinen generellen Kündigungsschutz gibt. Der Arbeitgeber kann jederzeit einen Arbeitnehmer kündigen - OHNE Angabe von Gründen.
Arbeitnehmer in Gleitzeit werden großteils um die Überstundenzuschläge umfallen. Werden die Gleitzeitvereinbarungen nämlich auf einen Zeitraum von 12 Stundenausgedehnt, dann werden Überstunden nur dann fällig, wenn sie der Arbeitgeber anordnet. Laut Arbeiterkammer liegt eine derartige Deklaration so gut wie nie vor. Negative Auswirkungen hat die neueArbeitszeitregelung auch für All-In-Verträge.
Viele Arbeitnehmer hoffen durch die Einführung des 12-Stunden-Tags auf eine 4-Tage-Woche. Abgesehen davon, dass diese bereits jetzt durch eine Betriebsvereinbarungfestgelegt werden kann, besteht darauf kein gesetzlicher Anspruch. Ebenso, wann der Arbeitnehmer diese in Anspruch nehmen kann.
Im Tourismus wird bei sogenannten "geteilten Diensten" die Ruhezeit von 11 auf 8 Stunden verkürzt. Man soll sich hier einmal die Situation vorstellen, wenn jemandeinen Anfahrtweg von 1-2 Stunden hat. Und das ohne Berücksichtigung etwaiger Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen oder einfach nur verdienter Freizeit. Durch die Hintertür wurde durch die"rechtskonservative" Regierung noch zusätzlich im Arbeitsruhegesetz die Wochenend- und Feiertagsarbeit eingeführt, auch hier besteht bei Betrieben ohne Betriebsrat wieder ein freiesAblehnungsrecht. Es darf gelacht werden, wenn es nicht so traurig wäre.
Einige Personengruppen sind komplett vom Arbeitszeitgesetz ausgenommen. Das sind wie bisher leitende Angestellte und die Familienangehörigen von Unternehmern. Neudazu kommen aber nun Arbeitnehmer, denen maßgebliche selbständige Entscheidungsbefugnisse übertragen wurde. Diese Personen können zeitlich ohne Einschränkung beschäftigt werden. Wer genaudarunter fällt (bspw. Filial- oder Projektleiter), das können nicht einmal namhafte Arbeitsrechtsexperten beantworten.
"Wo kein Kläger, da kein Richter" lautet ein eherner Rechtsgrundsatz. Arbeitnehmer werden sich hüten, in unsicheren Arbeitsmarkt-Zeiten den Arbeitgeber wegenRechtsverstößen anzuzeigen. Daher: "Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt!" Im Gegensatz zur Arbeitszeitnovelle war der Geier Sturzflug-Hit satirisch gemeint...
www.oliverplischek.at
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