Gleichberechtigung
"Knick kommt, wenn's um die Familienplanung geht"

Elisabeth Lehmann (li.) und Brigitte Winkler (re.) von der Frauen- und Mädchenberatungsstelle Evita helfen in Not geratenen Frauen. Um ihr Angebot bekannter zu machen, hat man vor Kurzem mit HLW-Lehrerin Renate Unterberger (Mitte) einen Promotion-Lauf in Kufstein organisiert. | Foto: Christoph Klausner
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  • Elisabeth Lehmann (li.) und Brigitte Winkler (re.) von der Frauen- und Mädchenberatungsstelle Evita helfen in Not geratenen Frauen. Um ihr Angebot bekannter zu machen, hat man vor Kurzem mit HLW-Lehrerin Renate Unterberger (Mitte) einen Promotion-Lauf in Kufstein organisiert.
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Im Gespräch mit den RegionalMedien erklärt Evita-GF Elisabeth Lehmann, warum sich Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau nur langsam einstellt und das Gewaltpotenzial immer noch hoch ist. 

KUFSTEIN. Die fehlende Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau lässt sich jährlich am sogenannten "Gender Pay Gap" ablesen - 2020 verdienten Frauen in Österreich fast 19 Prozent weniger als Männer.  Auch die Gewalt gegen Frauen scheint hierzulande konstant zu bleiben. Ende 2021 waren es 31 Femizide, mit Ende September 2022 zählen die Autonomen Österreichischen Frauenhäuser bereits 27 Morde und weitere 24 Fälle von versuchtem Mord bzw. schwerer Gewalt. Dabei ist "der Femizid immer der Endpunkt einer Reihe an Gewalttaten", wie Elisabeth Lehmann, Geschäftsführerin der Kufsteiner Frauen- und Mädchenberatungsstelle Evita weiß. Vor allem Trennungssituation seien "extrem gefährlich". Zeitgleich verweist Lehmann auch auf Untersuchungen, aus denen hervorgeht, dass die Gewalt massiver wird, je länger die Beziehung aufrecht bleibt. 

Vernetzung & Beratung

Lehmann setzt sich seit Jahren für Frauen ein. Gewalt ist immer noch das dominierende Thema bei den Frauen, die zu ihnen in die Einrichtung kommen. Trennungen bzw. Scheidungen werden am zweithäufigsten besprochen, gefolgt von finanziellen und psychischen Probleme. Letzteres war vor allem während der Pandemie auffällig hoch, "da wurden viele akute Krisen auch telefonisch abgewickelt", so Lehmann. Jetzt, wo die akuten Kriseninterventionen etwas nach lassen, stecken sie einen großen Teil ihrer Kapazitäten in die Bezugsberatung. Damit ist gemeint, dass man Institutionen (z. B. Krankenhäusern, Opferschutzeinrichtungen) bei gewissen Prozessen hilft. Unterm Strich soll dadurch auch der Austausch von Informationen verbessert werden.

"Guter Gewaltschutz funktioniert nur, wenn alle Beteiligten sich vernetzen. Wenn im Vorfeld Informationen ausgetauscht werden, dann haben wir die Chance, so manches zu verhindern,"

ist Lehmann überzeugt.

Für ein Ende der Gewalt gegen Frauen müsse man laut Evita-GF Elisabeth Lehmann auch bei verkrusteten Rollenbildern anfangen. Aus denen ergebe sich oft eine finanzielle Abhängigkeit, welche den Mann in eine Machtposition hieve. | Foto: Christoph Klausner
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Patriarchale Strukturen

Doch warum üben immer noch so viele Männer Gewalt gegenüber Frauen aus? Für Lehmann gibt es dafür mehrere Gründe.

"Gewalt gegen Frauen ist immer ein Machtthema. Das wurzelt in Rollenbildern, die tief drinnen oft noch da sind",

betont die Sozialpädagogin. In Österreich - vor allem in Tirol - wollen viele Männer in Beziehungen den Ton angeben, sprich die patriarchalen Strukturen sind nach wie vor sehr stark. Bildung ist für Lehmann wesentlich, um Gleichberechtigung zu schaffen. Dennoch gibt sie zu bedenken, dass viele junge Frauen bereits sehr gut ausgebildet sind und das Problem trotzdem immer noch vorhanden sei.

"Der Knick kommt, wenn es um die Familienplanung geht",

erklärt die Evita-Geschäftsführerin. Frauen müssen an diesem Punkt immer noch viel zu oft zurückstecken und ihre Karriere an den Nagel hängen.

Ökonomische Abhängigkeit

Familie über alles und sich selbst zurücknehmen - das wird in Tirol von vielen Frauen erwartet. Was allerdings oft nicht angesprochen wird, ist die Tatsache, dass viele Frauen dadurch finanziell vom Partner abhängig werden. Und diese Abhängigkeit ist laut Lehmann auch einer der Hauptgründe, warum sich Frauen selbst von gewalttätigen Männern oft nur schwer trennen können. Das in Tirol dagegen nur wenig unternommen wird, zeigen auch die Zahlen. So sei beispielsweise der Prozentsatz an Männern, die freiwillig das sogenannte Pensionssplitting betreiben, verschwindend gering. Dabei handelt es sich um die Möglichkeit, das der berufstätige Elternteil der Partnerin bzw. dem Partner Teile des Pensionskontos überträgt. Der Elternteil, der die (unbezahlte) Kindererziehung und Hausarbeit übernimmt, kann so auch ein wenig für das Alter vorsorgen.
Lehmann fordert hier auch ein Umdenken und Einschreiten seitens der Politik. Haushalt, Kindererziehung sowie die Betreuung und Pflege von Angehörigen müsse in irgendeiner Form auch vergütet werden. 

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