Tirols Ärzte sollen einfacher zusammen arbeiten können

"Wenn wir Geld haben, geben wir es gerne her", meinte TGKK-Obmann Werner Salzburger zur Finanzlage der Kasse.
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  • "Wenn wir Geld haben, geben wir es gerne her", meinte TGKK-Obmann Werner Salzburger zur Finanzlage der Kasse.
  • hochgeladen von Sebastian Noggler

TIROL/ALPBACH (nos). Am Rande der mehrtägigen Gesundheitsgespräche im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach (EFA) präsentierten Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) und Tiroler Ärztekammer (ÄK) neue Kooperationsmodelle für niedergelassene Ärzte.

"Es ist eine Katastrophe für die ländlichen Gegenden, wenn die gesundheitliche Nahversorgung fehlt", erklärte Tirols Ärztekammerpräsident Dr. Artur Wechselberger eingangs im Congress Centrum Alpbach. "Wir spüren, dass Landärztemangel ein Thema ist, wenn auch nicht so brennend, wie es oft dargestellt wird", pflichtete auch TGKK-Obmann Werner Salzburger bei.
Darum habe man versucht "mit der Tiroler Ärztekammer ein attraktives Paket zu schnüren", um "das Land für die Ärzte attraktiver zu machen". Besonders Kassenplätze in ländlichen Regionen seien schwierig zu besetzen, Ausschreibungen mussten in den letzten Monaten auch über Tirol hinaus lanciert werden, wie die Verantwortlichen erklärten. "In Wildschönau war das durchaus ein langer Kampf", meinte Salzburger. Das bisher "starre System" habe die Besetzungsschwierigkeiten verschärft.

"Es ist ganz wichtig, dass es uns gelungen ist, eine breite Palette von Zusammenarbeitsformen für Ärzte zu schaffen", ist Wechselberger von den neuen Möglichkeiten überzeugt und fügt hinzu: "wir haben jetzt auch einen guten Praxen-Gesamtvertrag geschlossen."
Auch dem demographischen Wandel wollen TGKK und ÄK dabei entgegen kommen. "In Zukunft werden mehr als 50 Prozent (der Mediziner in Tirol, Anm.) Ärztinnen sein", rechnet Wechselberger vor. Die neuen Modelle sollen Anreiz sein, "damit wir alle Kapazitäten in die Versorgung bringen", so der ÄK-Präsident. Durch die Kooperationsvarianten soll es einfacher werden, Familie und Kinder mit dem Landarztdasein zu vereinbaren.

"Uns ist sehr bewusst, dass wir viele Handlungsfelder vor uns finden", erklärte TGKK-Direktor Arno Melitopulos, "die Honorare attraktiver zu gestalten ist uns gut gelungen." Er präsentierte und erklärte die Details der gemeinsam mit der ÄK ausverhandelten Modelle.

So sollen Tirols Ärzte kooperieren

  • Die "Partner-Praxis" steht in mehreren Varianten zur Auswahl: als befristetes Modell, als Möglichkeit zur (Urlaubs-)Vertretung, zum Job-Sharing oder zur Übergabe der Praxis. Dabei ist ein Arzt Vertragspartner der TGKK, der zweite arbeitet als Subpartner.
  • Die "Teil-Praxis" ermöglicht es, dass ein Kassenvertrag auf zwei Ärzte aufgeteilt wird. Beide sind dann Teilpartner der TGKK.
  • Die "Gruppen-Praxis" kann als Personengesellschaft oder GmbH geführt werden und kann von Ärzten aus verschiedensten Fachgebieten gebildet werden. "Dieses Modell verzichtet auf jegliche Einschränkungen", meint Melitopulos, "das war uns ein großes Anliegen".

"Maximal unbürokratisch" sollen die flexiblen Kooperationsformen für die Tiroler Ärzte ausfallen, ist TGKK-Direktor Melitopulos überzeugt. Dr. Artur Wechselberger meint, es sei "ein Angebot an die Ärzte. Ob das angenommen wird, wird man sehen. Es wäre natürlich keine Erfolgsgeschichte, wenn von einer geteilten Praxis dann beide nicht leben können!"
Er sieht den "realistischen Schritt der Primärversorgung" darin "verbesserte Zusammenarbeit in bestehenden Praxen zu stärken".

Alle Details zu den neuen "kurativen Gesamtverträgen" finden Sie online auf der Website der Tiroler Gebietskrankenkasse.

"Erstaufnahmeeinheit" in Innsbruck

"Was wir gemeinsam mit dem Land Tirol in Innsbruck vorhaben ist keine Primärversorgung im engeren Sinn, sondern eine Erstaufnahmeeinheit", erklärte TGKK-Direktor Melitopulos. Um die Notfallambulanz der Klinik zu entlasten ist angedacht, "zwei bis drei Allgemeinmediziner in Ambulanznähe für Grundversorgungsleistungen" abzustellen. Sie sollen eine Vorauswahl treffen, ob die Akutbehandlung in der Ambulanz notwendig ist, oder der Besuch beim Hausarzt auch genügen würde. Ähnliches könne man sich auch in Bezirkskrankenhäusern vorstellen.

Fachärztemangel in Tirol

"Darauf sind wir nicht vorbereitet, das ist ja das Problem", befürchtet Wechselberger mit Blick auf die niedergelassenen Fach- und Allgemeinmediziner im Land. Der erste Schritt den Fachärztemangel im niedergelassenen Bereich abzufedern sei eben die Einführung der Kooperationsmodelle. "Wir haben im Fachärztebereich große Mängel", weiß der Ärztekammer-Präsident. In Schwaz, Imst und Hall können seit Monaten Facharztposten für Psychiatrie nicht nachbesetzt werden, auch die Augenheilkunde bräuchte mehr Personal.
"Ich glaube, dass wir Ärzte finden können, wenn die Verträge attraktiv sind", gibt sich Wechselberger aber zuversichtlich. Ein weiterer "wichtiger Schritt in eine andere Richtung" sei die bessere Honorierung der "Gesprächsmedizin", die im Vergleich zur "Gerätemedizin" nun mit höheren Beträgen "aufgewertet" wurde. Damit sollen die Mediziner auch animiert werden, wieder mehr Gewicht auf Gespräch und Beratung zu legen. Die Honorierung des Gesprächs sei einer der Schwerpunkte der jüngsten Verhandlungen zwischen TGKK und ÄK gewesen sein. Um insgesamt rund 14,3 Millionen Euro habe die TGKK die Honorarsätze erhöht. "Eine veränderte Umverteilung", so Melitopulos.

Wildschönau: Drei Ärzte für zwei Stellen

Nachdem sich die Suche nach Kassenärzten für die Wildschönau anfangs sehr schwierig darstellte – die BEZIRKSBLÄTTERberichteten – soll es laut TGKK-Obmann Salzburger mittlerweile drei Interessenten für die zwei Kassenstellen geben. Aktuell sind zwei Wahlärzte im Hochtal aktiv, einer der beiden soll sich um eine Kassenstelle beworben haben, der zweite könnte eventuell mit ihm eine Gruppenpraxis eingehen, so der TGKK-Obmann. Auch für die zweite Stelle gäbe es einen Bewerber. "Die Besetzung ist ab Oktober geplant, soll aber jedenfalls noch dieses Jahr erfolgen", meinte Salzburger.

ÖVP-Gesundheitssprecher begrüßt Maßnahmenpaket

Als „wichtige Stärkung der flächendeckenden Gesundheitsversorgung in Tirol“ bezeichnet ÖVP-Gesundheitssprecher Stefan Weirather die vorgestellten verbesserten Rahmenbedingungen für die heimischen Kassenärzte. „Vor allem die engagierten Allgemeinmediziner in den Tiroler Städten und Gemeinden bilden das starke Rückgrat der Tiroler Gesundheitslandschaft. Sie sind in allen Gesundheitsfragen die ersten Ansprechpartner vor Ort und für eine qualitativ hochwertige Versorgung unverzichtbar. Damit das auch in Zukunft so bleibt, ist es wichtig, dass sie gute Voraussetzungen vorfinden. Mit dem heute präsentierten Paket haben sowohl die Ärztekammer als auch die TGKK ein starkes Fundament für eine positive Entwicklung gelegt“, zeigt sich ÖVP-LA Stefan Weirather erfreut. Vor allem in Hinblick auf die oftmals schwierige Nachbesetzung von Kassenstelle - insbesondere in den ländlichen Regionen - sei dieser Attraktivitätsschub voll und ganz zu unterstützen.

Neben höheren Honorarsätzen im Umfang von 14,3 Millionen Euro sind für Weirather vor allem die neuen Kooperationsmöglichkeiten für Ärzte hervorzuheben. „Es ist gut und wichtig, dass das System flexibler wird. Mit der nun möglichen Einrichtung von Partnerpraxen und der Teilung von Kassenstellen wird den geänderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung getragen und die Attraktivität des Arztberufes erhöht. Letztendlich, und das ist entscheidend, werden diese Reformschritte nicht nur den Ärztinnen und Ärzten, sondern vor allem der Tiroler Bevölkerung zu Gute kommen“, ist Weirather abschließend überzeugt.

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