Der Schwierige und seine Überlebensstrategie
„Du gehst in den „Schwierigen“? Du machst doch auch aus jeder Mücke einen Elefanten. Du mit deinem Gerechtigkeitswahn, der du deinen Ordnungsfimmel extrem auslebst“, lacht mein Freund offen heraus. „Willst du dir noch zusätzliche Macken anzüchten?“ Mit diesen Worten zieht er von dannen. Dem wollte ich auf den Grund gehen. So frage in meine Theaterbegleiterin, ob ich schwierig bin. Stumm blickt sie in die Ferne, ohne zu antworten. Mein Lebenspartner meint, ich sei manchmal ein Scheusal, die Lektorin sagt so etwas wie "du bist außergewöhnlich", der Physiotherapeut drückt sich um eine Antwort herum: "Ja, aber ein lieber", setzt er nach. Jetzt weiß ich es: Ich bin ein Schwieger. Genug der Selbstbezichtigung.
Bedrückt schleiche ich ins Theater in der Josefstadt, wo noch immer große Trauer über den Tod von Heribert Sasse herrscht, mit der Absicht, mir keine neuen Lackschäden zu meinen eigenen zuzuziehen. Das ist gar nicht so leicht. Im Laufe von Hugo von Hofmannsthals Stück „Der Schwierige“ neige ich zu der Ansicht, dass nicht der „Schwierige“ schwierig ist, sondern sein gesamtes Umfeld. Es prasselt eine Suada von nasalen, zum Teil absurden Peinlichkeiten von der Bühne.
Über den „Schwierigen“, Graf Hans Karl Brühl, bricht ein komplizierter Tag herein. In seinem Stadtpalais wohnen noch seine Schwester und deren Sohn Stani, was ohnehin schon keine gute Konstellation ist. Sie kommen ungefragt in des Hausherrn Bereich und bequatschen ihn mit allerlei Nebensächlichkeiten. Besonders Stani, ein Prolet im Adelsmantel, redet über seine möglichen Liebschaften. Ständig werden neue Gäste gemeldet, obwohl sich der Graf jede Störung verbeten hat. „Mir bliebt nichts erspart“, könnte er wohl sagen.
Allerdings ist Brühl auch kein leichter Charakter, unstet, launenhaft, unentschlossen. Vieles belastet ihn. Er ist unverheiratet, was zu einigen Spekulationen Anlass gibt. Man dichtet ihm Liebschaften an, wobei er nicht ganz unschuldig ist, und die Umgebung drängt ihn, das und jenes zu tun. Trotz des nervenden Familien- und Freundeskreises verliert er nie die Contenance. Banales Geplänkel bringt ihn nicht in Rage, es scheint so, als wäre er der Grabstein für seinen unerträglichen Gesellschaftskreis. Das ist sein Problem, denn er ist Mitglied der Szene. Würde er mal auf den Tisch hauen, wäre vermutlich der Zinnober bald zu Ende. Brühl ist ein Zauderer. Im letzten Moment macht ein Zusagen rückgängig. Man ist verwirrt und setzt ihm zu, um eine Entscheidung herbeizuführen. Die Konversationskomödie geht unbefriedigend zu Ende. Manchmal hilft nur eine Umarmung für Geheimnisvolles und Ungesagtes.
Schwierig ist es, aus dem großen Ensemble einige Figuren hervorzuheben. Sicher Michael Dangl, der nicht ganz so brilliant agiert wie z.B. In "Beste Freunde“ oder in „The King's Speech", Matthias Franz Stein als Stani und – um eine der Damen zu nennen - Alma Hasun als Helene Alterwyl. Regie: Janusz Kica
Next: 7.12.2016
Infos und Tickets: www.josefstadt.org
Reinhard Hübl
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