Die Wunderübung oder wenn Klienten den Therapeuten therapieren.
In den Kammerspielen findet eine Paartherapie der besonderen Art statt. Ein Paar, mehr als zehn Jahre verheiratet - gereizt, egozentrisch, dem anderen gegenüber längst nur mehr kritisch –gibt sich noch eine Chance und sucht nach externer Hilfe. Im Lebens- und Eheberater Harald scheinen sie den Richtigen gefunden zu haben. Auf der Bühne wird dann präzise seziert, was auch im wirklichen Leben passiert. Es ist authentisch. Aufgestaute Aggression wird abgeladen, jeder sucht Verständnis beim Therapeuten und nicht mehr beim Partner. Kann in dieser Konstellation das Theater-Paar auf Gesundung ihrer Beziehung hoffen?
Daniel Glattauer macht daraus eine subtile Komödie. Schon im Buch „Gut gegen Nordwind“ kommt sein amüsantes Spiel mit gestörten Beziehungen zum Ausdruck. Der Favoritner schreibt am Puls der Zeit, ist ein penibler Beobachter gesellschaftlicher Sozialbehinderung. Immerhin werden 40% der Ehen wieder geschieden. Die meisten finden allerdings schneller den Weg zum Scheidungsanwalt als zum Paar-Therapeuten.
In den Kammerspielen ist der Mann ein erfolgreicher Manager, der – laut Drehbuch – seine Frau nur ein bisschen betrügt und all die anderen Dinge wie Haushalt, Kindererziehung und unangenehme Ereignisse, wie Elternsprechtage bei seiner Frau ablegt. Er will ihre Frustration nicht sehen, vor allem nicht verstehen und spüren. Sie wird mit Standardsprüchen abgefertigt, was sie natürlich noch mehr erbost. Sie- auch nicht gerade sanftmütig - trägt wenig zu den Heilversuchen des Therapeuten bei. Sie ist eine „moderne Bissgurn“, deren Intelligenz zu einem veritablen Disput einlädt. Die Rollenspiele des Seelendoktors bringen laufen ins Leere. Was wollen sie in der heutigen Sitzung erreichen, fragt er mehrfach nach. Die Antworten sind klar – jeder will so bleiben, wie er ist. Ein Schulbeispiel einer sprachlosen Ehe, auch wenn sie ständig geifert und er jede Schuldzuweisen mit beruflicher Rhetorik zurück weist.
Der Therapeut Harald greift zu einer „Wunderübung: Er simuliert den Anruf seiner Frau, in dem sie ihn per Smartphone verlässt. Er ist plötzlich das Opfer. Er habe keinen Fehler gemacht, er sei ein hilfsbereiter ständig sorgender Gatte, liebevoll, alle Probleme aus dem Weg räumend – doch das Leben mit ihm sei fad, schreibt sie in einem E-Mail. Nun verkehren sich die Rollen: Die Therapiesuchenden wollen den Mann wieder aufzurichten. Dieser jammert, dass seine Reputation als Therapeut ein für allemal zerstört sei und schmeißt als äußeres Zeichen dafür gleich dramatisch seine Unterlagen in den Mistkübel.
Mann und Frau lassen ihr Helfersyndrom heraushängen und heilen sich damit selbst. Angesichts der Tragödie des Therapeuten sind die eigenen Zores nicht mehr so wichtig – Arm in Arm verlassen sie die Praxis – was für eine Wunderheilung.
Zurück bleibt ein zufriedener Lebensberater, der sich freut, dass seine List erfolgreich war. Allerdings: Die Wunderheilung wirkt nur beschränkt – der Psychologe erweist sich in einem Telefonat mit seiner Ehefrau als tyrannischer Ehepatriarch – und die sind schwer zu heilen.
Regie: Michael Kreihsl. Das streitende Ehepaar Joana und Valentin Dorek
(Bernhard Schir und Aglaia Szyszkowitz) und der Eheberater bieten ein prachtvolles Triumvirat .
Jürgen Tarrach
Nächste Wunderübung: 16.2. 2015, Kammerspiele
Infos und Tickets: www.josefstadt.org
RH/GM
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