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"Staatskünstler" im Konzerthaus

„Staatskünstler“ im Konzerthaus

Die Dunkelheit ist in die Stadt gezogen. Der Streusplit knirscht unter den Schuhen, die gar nicht für einen Konzertbesuch geeignet sind. Unförmige, golsererähnliche, gepolsterte Untersätze, werden aus der Reservatenkammer geholt. Gestalten, dick verhüllt, nicht links und rechts schauend, streben zur Wärme. Egal wohin. Selbst das kleine Tschocherl vorm Eislaufverein ist voll, wie nie zuvor. Irgendwo schlägt eine Kirchenuhr sechs. Das hört keiner. Die sind so mit ihrem Gewand beschäftigt. Es droht weg zu fliegen. Der Wind reißt stürmisch an den Mänteln. Es ist ein Winter ohne Schnee in Wien. Gefühlte 20 Grad minus berichten sie im Radio. Kein Tag ohne Hitparade der Minuswerte. Es ist wie in Sibirien, sagen die Menschen, als gäbe es kein anderes Thema.

Die Konzerthaus-Hinterseite scheint ein ungeliebter Besitzstand zu sein. Die Trucks der Bundestheater verstellen noch dazu die Sicht. Die Großplakate auf den Anhänger der Bundestheater zieren die Werbesprüche einer Versicherung. Man kann auch von der Rückseite ins Konzerthaus gelangen. Doch, ich gehe am Akademie-Theater vorbei. Dort wird gerade ein famoses Stück von Oscar Wilde gespielt. Jetzt stehe ich vor dem prächtigen Entree. Hell beleuchtet wirkt das Musiktheater wie ein filigraner Koloss neben den eintönig Kreise drehenden SchlittschuhläuferInnen am Eislaufverein. Ich bin früh da. Ich stehe allein im Foyer, bis auf ein paar Billeteure, Garderobedamen und eine Frau, die geräuschvoll den CD-Laden aufbaut, es ist noch kein Publikum da. Den Streusplit werde ich durch heftigen Aufstampfen wieder los. Damit höre ich gleich wieder auf. Es hallt unangenehm nach. Während ich so dastehe und die Ehrentafel lese, gehen die Türen auf und zu. Männer erweisen sich als Kavaliere und halten den Damen die Tür. Ein paar Rüpeln lassen die Türen auf den Hintermann/-Frau fallen. Alle wollen nur hinein. Auch die Damen mit den verpönten Pelzmänteln, obwohl man heutzutage die echten von den künstlichen nicht mehr unterscheiden kann, kommen in die warme Stube. Heute ist das Gedränge besonders heftig. Der Mozartsaal wird auch bespielt. Das Hagen Quartett macht dort seine Aufwartung.

Der große Saal öffnet sich. Die roten Lampen blinken, die Gäste eilen zu ihrem Plätzen. Ich richte mir meine private ''Lounge'' ein, beginne das Programm, aufgestützt auf beiden Armlehnen, zu lesen. Im Konzerthaus, und auch in anderen Musikgaststätten, halte ich immer einen Respektabstand zur Bühne. Ich will mir die künstlerische Phantasie nicht durch etwaige ungeputzte Schuhe der Musiker verderben lassen. Ich mag den großen Konzerthaussaal, er ist so leicht, rund. Die rundlichen sind immer gemütlich. Er lädt zum Platznehmen ein. Ein paar Meter weiter, beim Nachbarn sozusagen, steht der strenge Bruder. Man geht ehrfürchtig in den goldenen Saal des Musikvereins. Das Gold lässt einen nicht richtig warm werden. Diesen Saal kennt jeder, der einigermaßen mit Kultur in Berührung kommt. Zeitgleich findet dort ein Minderheiten-Programm statt. Ein chinesisches Orchester spielt ''The Symphony Night'' of the Festival "China meets Austria".

Zurück ins Konzerthaus: Der gebürtige Petersburger, Vladimir Fedosejev, steht heute den Wiener Symphonikern vor, unterstützt vom Solisten, Alexander Kniazev, Violoncello. Es ist ein Programm maßgeschneidert für den Maestro und das Publikum, dass gerne Musik aus dem fernen Russland hört, heute von Schostakowitsch und Tschaikowsky. Das Wetter in Wien hat sich offensichtlich auf das dortige Klima eingestellt. Die Wiener Symphoniker sind sich eins mit ihrem früheren Chefdirigenten. Die Harmonie stimmt immer noch, obwohl er sich 2004 von dieser Position zurückgezogen hat. Man merkt es an der Spielfreude und der präzisen Ausführung der Tempi, die der Maestro vorgibt. Manchmal gewinnt man den Eindruck, dass er nur still dasteht, um dem Klang des Orchesters zu zuhören. Er ist zurückhaltend und zeigt mit einem inneren Lächeln: es ist alles gut.

Die Fest-Ouvertüre von Schostakowitsch op. 96, entstand ein Jahr nach dem Tod Stalins (1954). Der Anlass war der 37. Jahrestag der Oktoberrevolution. Wenn man dem Werk lauscht, glaubt man die Filmmusik für einen amerikanischen Heroen-Thriller zu hören. Danach überwiegt die sogenannte „schwere Musik“. Im Violoncello-Konzert, Nr.2. op.126, zeigt der Debütant Alexander Kniavez am Violoncello eine beachtliche Leistung. Der Musiker ähnelt von der Physiognomie dem despotischen Rasputin. Er ist ein Meister seines Faches, und das Publikum hat Freude mit seinem Spiel.

Schostakowitsch war ein „Staatskünstler“, der vom Diktator Stalin unterjocht wurde. Daumen hinauf bedeutete, Stalin hat das Werk goutiert, Daumen hinunter das Gegenteil. Die Subalternen wussten, was zu tun war. So musste sich der Komponist durch den Großteil seines künstlerischen Leben lavieren. Es muss schrecklich gewesen sein, in seinem Schaffen von einem Tyrannen beherrscht zu werden. Der Komponist versuchte immer wieder auszubrechen, sich vom psychischem Druck zu befreien. Immer in Gefahr vom launischen Herrscher von Tod und Verbannung bedroht zu werden. Andererseits erhielt er viele Orden, nicht zuletzt deshalb, weil seine Musik vielfach nicht verstanden wurde. Er war also nicht nur Polit- sondern auch ein Interpretationsopfer. Mit der 10. Symphonie, nach dem Dahinscheiden Stalins geschrieben , rehabilitierte sich Schostakowitsch und rechnete künstlerisch mit dem totalitären Regime ab .In dieser Zeit entstand auch das Violoncello-Konzert. Das Stück wird so gespielt, wie es der Komponist angedacht hatte. Nachdenklich, die Angst noch im Nacken, dann wieder fröhlich, mit wuchtiger Überzeugung das Richtige getan zu haben. Fedosejev setzt das Klagen, die Bedrängnis aus vergangener Zeit des Komponisten bemerkenswert um. Ebenso die Nachdenklichkeit und das zarte Erwachen einer neuen Zeit. Das Werk schließt so wie es begonnen hat, still und erhaben. Die Symphoniker folgen den Gefühlen von Schostakowitsch, und zwar innig und behutsam.

Nach der Pause steht eine Komposition des am 25. April 1840 in Kamsko-Wotkinski Sawod geborenen Peter Iljitsch Tschaikowsky auf dem Programm, die Symphonie Nr. 5 e-moll op 64. Er war im Zarenreich mit der Nomenklatura verbunden, anders als Schostakowitsch. Als Beamter hatte er einen gesicherten Lebensstatus. Zusätzlich ermöglichte ihm eine Gönnerin ein Leben als freier Komponist. Nach der vierten Symphonie plagen ihn Selbstzweifel. Er fühlte sich „ausgeschrieben“. Dennoch: Er prägt eine unverwechselbare Tonsprache, die er in der Fünften fortsetzt. Die Protagonisten im Konzerthaus spielen ein Musikstück, die die damaligen Kritiker „einer der bedeutendsten musikalischen Erscheinungen dieser Zeit“ nannten, als Hommage auf den Meister. Im Zweifel, mit Klagen, in der Hoffnung, dem Schicksal entrinnend und in einem furiosen Finale, findet der Klangkörper die richtigen Nuancen. Mich persönlich hat das Walzerthema im 3. Satz fasziniert und die Leichtigkeit der tänzerischen Grundelemente. Langanhaltender Applaus ist eine Verneigung vor der Interpretation des Dirigenten und „seinem“ Orchester.

Nach diesen mächtigen Symphonien kann ich nicht sofort nach Hause fahren. Ich will mich austauschen, über die Interpretation zu streiten. Danach ist mir. Gehe ich zum Weinzirl im Konzerthaus oder zum Gmoakeller über die Straße? Meine Musikfreunde und ich entscheiden uns für zweiteres. Was gar nicht einfach ist. Der Gmoakeller ist rammelvoll. Ohne Reservierung keine Chance. Der Chef hat für seinen Stammgast dann doch noch einen Winkerl gefunden. Der Keller, der kein Keller ist, erweist sich als gute Entscheidung. Es wird lautstark diskutiert, ob dies und jenes gelungen ist. Künstler eben. Ein Musiklehrer, der bis dahin kein Wort gesagt hatte, meinte trocken: Die da vorne (gemeint sind die Geiger) können spielen was sie wollen, die Blechbläser schießen die Tore. Nun denn. Das ist die kürzeste Beurteilung eines Konzertes, die ich je hört habe.

Reinhard Hübl

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