Landstraße neu entdeckt:
Vom Amtshaus bis zum Palais
Eine Grätzltour mit einem Kunsthistoriker fördert erstaunliches zutage.
LANDSTRASSE. Dieter Klein ist nicht nur Kunsthistoriker, Reiseleiter, Professor und Autor, er ist auch passionierter Landstraßer. "Meine Familie lebt seit 100 Jahren hier", erzählt er. Geboren wurde Klein in Kukan bei Gablonz an der Neisse (Tschechien). "Aufgewachsen bin ich dann im Dritten und bis heute lebe ich hier."
Spaziergang durchs Grätzel
Ein Thema, mit dem sich der Historiker gerne beschäftigt, ist die Geschichte von Gebäuden im Bezirk und deren Veränderungen im Laufe der Zeit. Dazu brachte er auch ein Buch mit dem Titel "Wien – Stadtbildverluste seit 1945" heraus. Gemeinsam mit Bezirksvorsteher Erich Hohenberger (SPÖ) begleitete die bz ihn auf einem Spaziergang durch sein Grätzel.
Der Rundgang begann beim Amtshaus am Karl-Borromäus-Platz. Schon dort hatte Klein eine Anekdote parat: "Direkt gegenüber, in der Rochusgasse 15, war in der Nachkriegszeit ein Stundenhotel", sagt er lachend. Nur wenige Häuser weiter, auf der Ungargasse, macht das "Restaurant zum alten Heller" dem Kunsthistoriker Sorgen. "Es steht nun schon einige Zeit leer. Das ist schade, denn es hat einen wunderbaren Innenhof". Ein Nachfolger wurde bisher noch nicht gefunden.
Das Verschwinden der Palais
Weiter ging es entlang der Ungargasse. Besonders angetan hat es Klein das Streicherhaus. "Dort ist noch eine Gedenktafel angebracht", sagt er und zeigt diese. Sie erinnert an die Klaviermanufaktur um 1800. Ludwig van Beethoven, der mit der Pianistin Nanette Streicher befreundet war, verweilte hier oft im Salon für Kammermusik.
Hohenberger schwärmt indes vom Palais Sternberg. "Im dritten Bezirk gab es sehr viele schöne Palais", ergänzt Klein. "Aber leider ist heute davon nicht mehr viel übrig." Ein Stück weiter in der Ungargasse befinden sich die Habsburger Häuser. "Diese befanden sich im Besitz der Habsburger, wurden aber leider aufgestockt", erzählt Klein.
Die schönste Gasse
Nächste Station ist die Dapontegasse, die Klein besonders am Herzen liegt: "Das ist die schönste Gasse im ganzen Bezirk. Sie ist noch fast komplett erhalten, nur die Türme wurden rekonstruiert." Eine Besonderheit: "Sie ist leicht gebogen, weil man früher keine ganz geraden Straßen gebaut hat. Das war der sogenannte malerische Städtebau."
Ein Highlight der früheren Baukunst sind die zahlreichen Stiegenhäuser entlang der Ungargasse. Für alle, die das knallgrüne, etwas futuristisch anmutende Gebäude auf der Ungargasse kennen: Dieses wurde von Max Fabiani, dem Architekten, der auch die Urania baute, errichtet. Es war das größte Möbelhaus der Monarchie.
Als städtebauliche Todsünde bezeichnet Klein hingegen den heutigen Blick vom Rennweg, die Fasangasse hinauf Richtung Schweizergarten. "Früher sah man am Ende der Straße Bäume und den Himmel. Heute steht hier ein Hochhaus." Der Spaziergang endet in der Fasangasse. Wer mehr über Wiens Gebäude erfahren will, kann sich unter www.dieter-klein.at informieren.
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.