Die Rheinländer lieben es fröhlich und schnell
Jüngst im Musikverein: Vorne irre US-Bürger, fein herausgeputzt, die ihre Plätze nicht finden können bzw. als sich das Orchester schon einstimmt, die Plätze noch tauschen. Der Goldene Saal macht auf sie Eindruck, Handyfotos werden geschossen. Die New Yorker sind es ja in der Regel nicht gewohnt, ihre Kulturstätten würdig aufzusuchen. Nicht gerade in der Met, aber ins Theater geht man eher leger gekleidet, legt dort sein Gewand zu den Füßen, ordert Cola und Chips, das während der Vorstellung genüsslich verzehrt wird. In der Reihe hinter mir nimmt eine Familie mit zwei Kleinkindern Platz. Den Kids behagt das Geschehen auf dem Podium gar nicht. Sie quengeln und rutschen auf ihren Plätzen herum. Durchaus verständlich, aber warum tut man das ihnen und vor allem den Konzertbesuchern an?
Nach der Pause sind sie verschwunden.
Das sind die Rahmenbedingungen für das Konzert im Musikverein. Musik von Leoš Janáček, Einojuhani Rautavaara und Robert Schumann steht auf dem Programmzettel. Nur bei Schumann dringen vertraute Melodien ins Ohr. Die Suite aus der Oper „Das schlaue Füchslein“ ist eine verklärte Ode an die Natur. Derzeit in der Wiener Staatsoper zu sehen. Die Dirigentin Kristiina Poska ist noch sehr verhalten, fast hat man den Eindruck, sie fürchtet die Neujahrskonzert-Aula. Die Tempi kommen ein wenig schludrig daher, der Abschluss ist ungenau. Mag sie das Werk nicht?
Doch dann: Die Estin hat einen besseren Zugang zum finnischen Komponisten Einojuhani Rautavaara. Er wurde 1928 geboren, im gleichem Jahr starb Janáček. Das Konzert für Harfe und Orchester wird vor allem ein Triumph des Solisten Xavier de Maistre. Ich gestehe, nie habe ich Ähnliches gehört. Eigentlich sind es drei Harfen, die mit dem Orchester ein Zwiegespräch führen. In der österreichischen Erstaufführung leistet das Tonkünstler Orchester Niederösterreich echte Pionierarbeit. Das Stück ist gut geprobt, mal im tonalen, mal im atonalen Bereich - ein Ereignis allemal. Ist der Applaus noch sehr verhalten, so kommt bei Xavier de Maistres Zugabe - Félix Godefroids Carnaval de Venise – ein Werk zur Aufführung, das beim Auditorium Begeisterung auslöst - eine zauberhafte Interpretation des hochromantischen belgischen Komponisten.
In Robert Schumanns „Rheinische“ drückt der Komponist seine subjektive Wahrnehmung rheinischen Lebens aus. Heiterkeit, Frohsinn – alles muss schnell gehen, so auch das Musikschaffen Schumanns. „Man muss den Leuten nicht das Herz zeigen, ein allgemeiner Eindruck des Kunstwerkes tut ihnen besser; sie stellen dann wenigstens keine verkehrten Vergleiche an“ soll der selbstbewusste Künstler gesagt haben. Wir – das Publikum – tun das keinesfalls. Jetzt ist Kristiina Poska richtig in Form, und die Tonkünstler folgen ihr bereitwillig. Die schwungvolle Deutung der Symphonie Nr. 3 findet große Zustimmung. „Scherzo, feierlich, lebhaft“ lauten die Anweisungen Schumanns, und das wird wunderbar umgesetzt.
Next: „Ein Heldenleben“, am 1. und 3. Mai im Musikverein.
Infos und Tickets: www.tonkuenstler.at
Reinhard Hübl
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