Filmmusik: Von Knutsch-Szenen zum Desperados-Drama
Meine Eltern verließen fast nie ohne uns Kinder die Wohnung. Dem Hype über den Film „Vom Winde verweht“ konnten sie sich aber nicht entziehen. Also gingen sie ins Kino, nicht wissend wie lange der Film dauert. Das sollten sie alsbald bereuen. Die Wohnung war verwüstet, die Nachbarn aufgeregt - Chaos pur. Ich glaube, dass ich damals eine Tracht Prügel bezog. Meine Eltern gingen nie wieder ins Kino. Später erfuhr ich, warum ich den Streifen nicht sehen durfte. Die katholische Film-Kommission hatte ihn als „Bedenklich“ eingestuft. Als ich den Film Jahre später im TV sah, fand ich ihn eher fad. Die krude Moral bezog sich vermutlich auf die Knutsch-Szene von Clark Gable und Vivien Leigh. Aber die Musik von Max Steiner in diesem Bürgerkrieg-Drama blieb in Erinnerung.
Grund genug, um nach Grafenegg zu pilgern und bedeutende Filmmusik zu hören. Das glänzend disponierte Tonkünstler Orchester Niederösterreich unter dem Dirigat von Frank Strobel führt uns neben „Vom Winde verweht“ zu "King Kong", "Casablanca" mit Ingrid Bergman und Humphrey Bogart ("Schau mir in Augen, Kleines") und Robin Hood. Die Juden Franz Waxman (Carmen-Fantasie für Violine und Orchester) und Erich Wolfgang Korngold (Captain Blood) flüchteten vor dem Nazi-Terror in die USA und schrieben dort Filmmusiken im Akkord - und machten so Hollywood-Karriere.
Nicht so Ennio Morricone, der in Rom blieb und dem Klassiker „Spiel mir das Lied vom Tod“ den musikalischen Unterbau gab. Ich sehe Charles Bronson in der Rolle des mysteriösen Mundharmonika-Spielers. Im Konzert sorgt ein unbekannt gebliebener Musiker mit diesem Instrument für spannende Gruselstimmung. Der Schlosspark hat zwar wenig mit Prärie zu tun, doch durch die hervorragende Instrumentierung und mit etwas Vorstellungkraft reiten die Desperados hinein in die unendlichen Weiten des Graslandes.
Frank Strobel, der richtige Mann am richtigen Ort, und die Tonkünstler entlassen das Publikum mit Erich Wolfgang Korngolds Musik zu "Kings Row" und - gemäß den heißen Temperaturen - Max Steiners Titelmelodie zum Kinofilm „A Summer Place“. Ein besonderes Lob gehört auch der jungen Schlagzeug-Truppe und dem Solisten Vadim Repin.
Next: Böhmische Lebensfreude am 15.7.2017 um 20 Uhr.
Infos und Tickets: www.grafenegg.com
Reinhard Hübl
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