17 Polizeieinsätze pro Tag: Situation am Praterstern verschärft sich
Anrainer, Passanten und Geschäftstreibende wissen: Alkohol und Drogen stehen am Praterstern auf der Tagesordnung. Ein Lokalaugenschein.
LEOPOLDSTADT. Die zwei wichtigsten Hilfsmittel der Polizisten am Praterstern? Lederhandschuhe und Desinfektionsspray. Lokalaugenschein, Mittwochabend, 19 Uhr: Neben der Straßenbahnlinie 5 liegt ein Mann am Boden, die Hose bis zu den Knöcheln hinunter gezogen, in der Hand einen Doppler Wein.
Prompt eilt eine Fünfergruppe der Bereitschaftseinheit herbei. Die Polizisten ziehen sich schon im Gehen die Lederhandschuhe an. Der Mann ist im Delirium, kann nicht mehr gehen. Zu dritt müssen ihn die Exekutivbeamten wegtragen und die Rettung verständigen. Am Rückweg kommt der Desinfektionsspray für die Handschuhe zum Einsatz. Das tägliche Geschäft am wichtigen Leopoldstädter Verkehrsknotenpunkt ist nicht einfach. Die Polizisten wirken dennoch routiniert.
Die Tageszeitung "Heute" berichtet von einer aktuellen parlamentarischen Anfragebeantwortung an FP-Nationalrätin Dagmar Belakowitsch-Jenewein: Demnach musste die Polizei im vergangenen Jahr 6.265 Mal am Praterstern ausrücken – das entspricht 17 Einsätzen pro Tag. Im Jahr 2014 wurden insgesamt 4.007 Polizeieinsätze gezählt.
Alkoholiker und Junkies
Für die Trafikantin vor Ort ist die derzeitige Situation katastrophal. "Viele Alkoholiker und Junkies kommen auch in unser Geschäft", sagt sie. Doch die Gewalt sei besser geworden, früher hätte es mehr Schlägereien gegeben. "Jetzt ist mehr Polizei unterwegs". Lisa G. teilt diese Meinung nicht. Die Lehrerin ist eine von 130.000 Personen, die den Praterstern täglich passieren müssen. "Viele Gruppen stehen herum, ausschließlich Männer, viele betrunken. Zwischen ihnen gibt es oft Streit", sagt G. Tatsächlich stehen auch heute etwa 40 Männer am Vorplatz, mal mehr, mal weniger – je nachdem, wieviele Polizisten gerade wo verteilt sind.
Eins, zwei, drei: Ausweis!
Eine Uniformierte nähert sich drei Männern, zeigt mit dem Finger auf sie: "Eins, zwei, drei: Ausweiskontrolle!" Die Gruppe wird zum nahe stehenden VW Transporter der Polizei abgeführt. Die Exekutive vor Ort arbeitet im Kreis. Hier wird einer mit Bierdose verwarnt, dort muss eine Alkoholleiche weggetragen werden. Auf der anderen Seite des Vorplatzes geht das Spiel von vorne los.
Fixpunkt im hiesigen Personengefüge: Zwei Streetworkerinnen der Suchthilfe Wien. Der Pratersterin ist auch ihr Revier. "Wir sind täglich hier, kennen die Leute. Es sind ja fast immer die gleichen", sagen die Beiden. Ein junger Mann spricht die Frauen an: "Habt's ihr ein Markerl fürs WC oder das Notfallset?", fragt er. "Nur Marken", antwortet die Streetworkerin. "Ok, nehm’ ich auch", antwortet er.
Wie die Situation am Praterstern unter Kontrolle gebracht werden soll, ist derzeit fraglich. Bezirksvorsteher Karlheinz Hora (SP) spricht sich jedenfalls gegen ein Alkoholverbot aus. Dieses würde bedeuten, dass Polizisten etwa jede Flasche Bier beschlagnahmen müssten. Auch wenn sie ein Anrainer in seiner Einkaufstasche nach Hause trägt, so Hora. Eine Petition für einen alkoholfreien Praterstern hat jedoch bereits über 500 Unterschriften. Ohne eine konkrete politische Lösung wird sich das Problem nicht bessern – mit dem kommenden Sommer eher verschlechtern. Die Leidtragenden: Polizisten, Passanten und Geschäftstreibende.
Umfrage: Sind Sie für ein Alkoholverbot am Praterstern?
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