Gül Lüle, Frauentreff Piramidops: Garten, Sprachkurs und Bankomat
Gül Lüle leitet den Frauentreff Piramidops am Volkertplatz, wo Frauen Deutsch und das Radfahren lernen können.
LEOPOLDSTADT. Begonnen hat es zufällig: "Ich war in einem Jugendzentrum tätig, zu uns kamen aber nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern jeden Tag auch deren Mütter", erzählt Gül Lüle. Die aus der Türkei stammenden Frauen baten um Hilfe mit Formularen und bei Behördengängen. Das wurde bald zu zeitintensiv für nebenbei, weshalb Lüle und zwei andere Frauen gemeinsam mit dem Verein Piramidops einen Frauentreff gründeten.
"Bald hat sich herausgestellt, dass einige der Frauen nicht lesen und schreiben können", sagt Lüle. Seit 1998 werden deshalb sowohl Alphabetisierungs- als auch Sprachkurse angeboten, und das in ständig steigender Zahl.
Mittlerweile gibt es vier Standorte, alle am Volkertplatz. Es gibt Räume für die etwa zehn Kurse und zusätzlich ein Lerncafé mit einer kleinen Bibliothek, in der sich die Frauen austauschen können. 60 bis 70 Frauen besuchen derzeit einen Kurs, der jeweils etwa ein Jahr dauert. Längst sind sie nicht mehr nur aus der Türkei, bald kamen Frauen aus Ex-Jugoslawien, Lateinamerika oder aus afrikanischen Ländern dazu. Sozialberatung wird mittlerweile in vielen Sprachen, darunter Türkisch, Paschtu, Dari und Englisch, angeboten. 600 Frauen nahmen sie im vergangenen Jahr in Anspruch. "Allein durch Mundpropaganda sind es immer mehr geworden", sagt Lüle.
Das Angebot läuft auf drei Schienen: Basisbildung, Deutschkurs und Gemeinwesen. "In der Basisbildung geht es einerseits um Alphabetisierung, aber auch um Orientierung in der Stadt. Hier bekommen die Frauen Informationen über Recht, Demokratie und Kindererziehung", so Lüle. Es wird aber auch darüber gesprochen, wie Bankomaten oder Fahrscheinautomaten funktionieren. "Darüber denkt man nicht nach, aber man muss alles einmal lernen", erklärt die Leiterin. Daneben gibt es Berufsberatung. Nach Abschluss der Module fühlen sich die Frauen sicherer in Wien, sagt Lüle: "Sie sagen uns, dass sich ihr Leben sehr verändert hat. Sie können alleine einkaufen gehen, ein Bankkonto führen und alleine reisen." Es gibt bei Piramidops auch einen Gemeinschaftsgarten sowie Rad-, Schwimm- und Zumbakurse für Frauen. "Die Frauen haben erzählt, dass Radfahren ein Traum ist, und wir haben uns gedacht: Das kann doch kein Traum bleiben", erzählt Lüle.
Mit dem Grätzel ist der Verein zusammengewachsen: seine Räume verwenden auch andere Initiativen und mit Jugendzentrum und Schulen der Umgebung gibt es regen Austausch sowie im Sommer ein großes Grätzelfest. "Manchmal ist es wirklich wie ein Dorf", lacht Lüle. "Wenn ich über den Volkertplatz gehe, werde ich dreimal angesprochen."
Vorbild für viele
Gül Lüle hat die Arbeit im Frauentreff zunächst ehrenamtlich betrieben, seit 2005 ist sie aber hauptberuflich dabei und hat die Leitung des Vereins inne. Da trifft es sich gut, sagt sie, dass sie eine Ausbildung in Buchhaltung hat. "Natürlich braucht man in so einer Position viel Empathie und es ist wichtig, den Frauen auf Augenhöhe zu begegnen und ihre Potenziale zu erkennen. Auch dass ich gut rechnen kann, hilft." Seit ihrer Arbeit im Jugendzentrum ist die emanzipierte Frau ein Vorbild für türkische Mädchen und Frauen, auch weil sie deren Probleme gut nachvollziehen kann: Gül Lüle kam mit 14 aus der Türkei nach Deutschland. Druck bedeutet das für sie keinen: "Ich habe auch Fehler gemacht, aber daraus lernt man. Durch mein Vorbild haben sich einige getraut, einen ähnlichen Beruf zu wählen."
Zur Sache:
Der Frauentreff Piramidops ist mit dem Lerncafé am Volkertplatz 12 beheimatet. Infos: www.piramidops.at
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