Überraschendes Urteil nach blutigem Streit
BEZIRK LILIENFELD. Mit dem Freispruch eines 26-Jährigen und einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten für einen 65-Jährigen endete am Landesgericht St. Pölten ein Prozess, dessen Urteil zumindest der ältere Beschuldigte mit allen Rechtsmitteln bekämpfen möchte.
"Mein größter Fehler"
Anlass für den Prozess war eine blutige Auseinandersetzung der beiden Angeklagten, die sich am 23. Februar 2020 in Rotheau ereignet hatte. Wütend über den Fahrstil des Pensionisten verfolgte ihn der 26-Jährige, um ihn zur Rede zu stellen. Als der 65-Jährige in Rotheau anhielt, schlug der aufgebrachte Lenker gegen das Beifahrerfenster. „Dann hab ich den größten Fehler meines Lebens gemacht: Ich bin ausgestiegen!“, beteuerte der Pensionist, der, seiner Aussage nach, von dem jungen Mann sofort attackiert worden sei. Dreimal sei er dabei durch Tritte gegen den Knöchel und die Kniekehle zu Boden gegangen und habe Schläge eingesteckt. „Mein Mandant hat sich nur gewehrt“, erklärte der Verteidiger des 65-Jährigen Peter Eigenthaler.
„Ich habe mich mehr vor ihm gefürchtet, als er vor mir“, meinte dagegen der Jüngere, der nur einmal mit der flachen Hand zugeschlagen und den Gegner, der ihm Faustschläge versetzte, angespuckt haben will. Bereits wieder am Weg zu seinem Fahrzeug sei der Pensionist ihm gefolgt und habe gegen die Türe seines Autos getreten.
„Der Jüngere packte den Älteren an den Schultern und warf ihn zu Boden. Dann hat er auf ihn hingetreten“, so die Aussage einer Zeugin, die vom Fenster aus zuschaute und die Polizei verständigte.
"Kein Unschuldslamm"
Gravierende Unterschiede in den Aussagen der beiden Beschuldigten ließ Richter Andreas Beneder vor allem hinsichtlich der beiderseitigen Verletzungen durch Gerichtsmediziner Wolfgang Denk klären, an den Zeugenaussagen hatte der Richter teilweise Zweifel. Die subjektive Wahrnehmung, wenn ein körperlich durchtrainierter, junger Mann mit einem Pensionisten eine Auseinandersetzung hat, könne durchaus zu Lasten des Jüngeren getrübt sein, meinte Beneder. Darüber hinaus sei die Schilderung des 26-jährigen, ehemaligen Kickboxers für ihn eher nachvollziehbar.
Das Gutachten bestätige, dass der Pensionist nicht so ein Unschuldslamm sei, erklärte Verteidigerin Maria Strohmayer, deren Schmerzensgeldforderung für ihren Mandanten in Höhe von 1.100 Euro seitens des 65-Jährigen zurückgewiesen wurde. Den Freispruch des 26-Jährigen wertete sie als durchaus gerechtfertigt.
Das Diversionsangebot des Richters für den Pensionisten wies dieser dagegen eher empört zurück. Gegen das daher nötig Urteil legte Eigenthaler umgehend Nichtigkeit und Berufung ein (beide Urteile nicht rechtskräftig).
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.