Oberösterreich 80-70-30
Der Aufbruch war überall zu spüren

- Nach dem Krieg ist vor der Liebe: Bereits 1946 heiratete ein amerikanischer Soldat eine St. Marinerin und zog mit ihr in die USA.
- Foto: Gemeinde St. Marien
- hochgeladen von Oliver Wurz
Ignaz Ömer aus St. Marien, Jahrgang 1946, über den Aufschwung nach Ende des Zweiten Weltkriegs.
ST. MARIEN. Aufgewachsen mit sechs Geschwistern auf einem Bauernhof in St. Marien, hatte der junge Ömer recht wenig von der Präsenz der amerikanischen Besatzer mitbekommen. Diese waren in der Kaserne Ebelsberg stationiert und schauten nur selten in der Gemeinde vorbei. Kam es zu einem Treffen mit den Amis, waren diese stets freundlich und hatten auch meist einen Kaugummi für die Kinder mit dabei. „Wir Kinder waren fasziniert von den Amerikanern. Nicht nur, dass wir zum ersten Mal im Leben einen Afroamerikaner zu Gesicht bekamen, diese Leute hatten Geld und eine gewisse Lockerheit“, erinnert sich Ömer. Und sie brachten viel Positives für die Gemeinde St. Marien. So wurde von den Besatzern ab 1954 etwa eine Schulspeisung finanziert.
„Man hörte Geschichten!“
Da verwundert es auch nicht, dass viele Vertriebene nach Kriegsende versuchten, in die amerikanische A-Zone zu gelangen und nicht unter russischer Besatzung zu geraten. Letztere genossen nicht gerade einen guten Ruf, der durch die eine oder andere Erzählung zusätzlich angeheizt wurde. „Man hörte einige Geschichten über die russischen Besatzer. Ob da immer alles stimmte, kann ich nicht sagen, aber es reichte für uns Kinder, sich vor den Russen zu fürchten“, so Ömer. Zweimal im Jahr machte sich Familie Ömer auf Wallfahrt in Richtung Pöstlingberg und damit über die Donau in die russische Zone. „Wir fuhren mit der Straßenbahn, die blieb auf der Nibelungenbrücke stehen und die Erwachsenen mussten zur Kontrolle aussteigen. Die Kinder blieben währenddessen in der Bim. Das war stets nervenaufreibend“, betont Ömer.
Rasche Entwicklung im Zentralraum
Ansonsten waren die ersten Jahre in der amerikanischen Zone geprägt von Aufbruchstimmung. Durch den Zuzug zahlreicher Vertriebener erlebte die Region ein schnelles Bevölkerungswachstum und auch an Arbeit mangelte es nicht. „Eigentlich sollte die Stahlproduktion verboten werden, was aber zum Glück nicht geschah und so wurde die
VOEST schnell wieder ein großer Arbeitgeber“, erklärt Ömer. Dank des Marschall-Plans kam dann der wirtschaftliche Aufschwung. „Im Zentralraum war ja alles vorhanden, gut ausgebildete Fachkräfte sowie die Infrastruktur. Was fehlte, war Kapital und Rohstoffe und dies kam mit dem Marschall-Plan“, betont Ömer.
Eigenständiges Österreich
Ziel der Amerikaner war es, den Einfluss der Russen zu minimieren – der Kalte Krieg zeichnete sich bereits ab – sowie Österreich von den Deutschen zu entkoppeln. Dies versuchte man einerseits durch wirklichen Aufbau und durch Aufwertung und Hervorheben der österreichischen Kultur, angefangen bei der Operette bis hin zur Kulinarik.
Liebesgeschichten und Hochzeit
Auch auf anderer Ebene verbandelten sich amerikanische Besatzer und die Bevölkerung. Herrschte nach Kriegsende ein Fratarnisierungverbot – es war untersagt, mit den Besatzungstruppen Beziehungen einzugehen – wurde dies bereits ein halbes später aufgehoben. „Da gab es dann natürlich die eine oder andere Liebesgeschichte, wie jene von einer Einheimischen und einem amerikanischen Soldaten, die 1946 geheiratet hatten und in die USA zogen", erzählt Ömer. Diese und weitere Geschichten aus der Nachkriegszeit hat Ömer in seiner St. Mariner Gemeindechronik zusammengefasst.
„Es ging aufwärts“
Alles in allem herrschte zu dieser Zeit eine Aufbruchsstimmung. „Man hatte den Eindruck bekommen, dass es permanent aufwärtsgegangen ist. Die Motorräder wurden mehr und dann kamen die Autos. Dank der wirtschaftlichen Hilfe hatten wir 6 Prozent Wirtschaftswachstum. Ferner hat man sich politisch geeinigt, miteinander die Republik aufzubauen. Für den Aufbau war die große Koalition eine vernünftige Variante", so Ömer.
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