Neue Anlaufstelle für Menschen mit Essstörungen

Essstörungen wie Magersucht, Ess-Brech-Sucht (Bulimie) oder Esssucht sind komplexe, ernstzunehmende psychische Erkrankungen. Dennoch hält sich der Irrglaube, dass dies ein Problem pubertierender Mädchen sei. Dies ist zwar immer noch die Hauptgruppe, es ist jedoch längst belegte Realität, dass „Essstörungen“ in allen Gesellschaftsschichten, bei beiderlei Geschlecht und in jeder Altersstufe zu finden sind. Laut Sozialplan Essstörungen des Amtes der OÖ. Landesregierung von 2013 leiden in Oberösterreich etwa 770 Personen an Magersucht, 1800 an Bulimie und rund 4200 Menschen an Esssucht. Jährlich kommen etwa 70 Personen mit Magersucht und 90 mit Bulimie dazu.

Anlaufstelle Wagner-Jauregg

Für diese Personen sowie deren Angehörigen wurde das neue multidisziplinäre Versorgungszentrum (MVZ) geschaffen. Das MVZ ist ein gemeinsames Projekt von Land OÖ, der OÖGKK und der Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg. Zu finden ist das MVZ in der Landes-Nervenklinik. Dadurch wurde das fachliche Know-how im Bereich der Essstörungen an einem Ort gebündelt. „Wir sind froh, dass es in Oberösterreich mit dem MVZ Essstörungen jetzt zusätzlich eine multiprofessionelle Versorgung gibt. Damit helfen wir Menschen, die einen hohen Leidensdruck haben", sagt OÖGKK-Obmann Albert Maringer. Schon jetzt steht für Versicherte der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse ein Kontingent von 2000 Psychotherapie-Stunden für Patienten mit Essstörungen pro Jahr zur Verfügung.

Gezielte Maßnahmen

Auf Initiative des Landes OÖ wurde für Oberösterreich erstmals ein integrierter Gesundheits- und Sozialplan für Menschen mit Essstörungen erstellt. Landeshauptmann Josef Pühringer: „Ziel war es dabei, die unterschiedlichen Behandlungs- und Betreuungsangebote gut aufeinander abzustimmen sowie der Früherkennung und Prävention auch einen entsprechenden Platz einzuräumen.“ Damit ist es gelungen, eine bereichsübergreifende Planung für die Versorgung dieser Zielgruppe vorzunehmen. Zu den bisher umgesetzten Maßnahmen gehören etwa Fortbildungsangebote für Hausärzte, wohntherapeutische Angebote der Diakonie, Sensibilisierungsmaßnahmen für Betroffene und Angehörige oder Infos auf der Webseite www.essstoerungen.ooe.gv.at

Pilotprojekt bis Ende 2016

Die Kosten für das MVZ Essstörungen teilen sich je zur Hälfte das Land OÖ und die Sozialversicherung, wobei die OÖGKK 80 Prozent dieses Sozialversicherungsanteils übernimmt. Insgesamt steht pro Jahr ein Maximalbudget von rund 432.000 Euro zur Verfügung. Das Pilotprojekt ist vorerst bis Ende 2016 vorgesehen und wird dann evaluiert. In einem ersten Schritt werden nur Erwachsene betreut. Im kommenden Jahr wird dieses Angebot für Kinder und Jugendliche ausgeweitet.

Niederschwelliges Angebot

Ein erfahrenes multiprofessionelles Team aus Fachärzten, Psychologen, Psychotherapeuten, Ergotherapeuten, Sozialarbeitern und Pflegekräften behandelt Essstörungen nach aktuellen Leitlinien. Die Behandlungsangebote sind auf die Bedürfnisse und Ziele der Patienten abgestimmt. „Ganz wichtig ist uns die Zusammenarbeit mit den Angehörigen. Sie können sich auch Rat holen, wenn Betroffene noch nicht für eine Behandlung bereit sind“, unterstreicht Hertha Mayr, Leiterin des Departments für Psychosomatik an der Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg. Die Therapien finden vorwiegend nachmittags statt, wodurch es für die Betroffenen auch möglich ist, das Angebot berufsbegleitend zu nutzen. Es ist weder eine ärztliche Zuweisung erforderlich, noch fallen für die Patienten und Angehörige Kosten an.

Wie kommt man zur Behandlung?
Der Patient oder Angehörige vereinbart mit der Leitstelle MVZ einen Termin und erhalten entsprechende Informationen. Im Erstgespräch mit einem Arzt oder Psychologen werden diagnostische und behandlungsrelevante Fragen geklärt und gemeinsam individuelle Behandlungsempfehlungen erarbeitet. Die Behandlungsdauer erfolgt in Absprache mit dem Patienten. Wöchentliche interdisziplinäre Besprechungen der Therapeuten ermöglichen ein flexibles Vorgehen und eine optimal abgestimmte Behandlung.

Vielfältige Auslöser

Die Auslöser von Essstörungen sind vielfältig. Neben genetischen Faktoren spielen familiäre Konflikte, traumatische Erfahrungen oder Störungen in der Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung eine wichtige Rolle. Häufig leiden die Patient/-innen unter geringem Selbstwert, Perfektionsansprüchen oder haben Probleme im Umgang mit Gefühlen. Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen können eine altersgemäße körperliche und psychosoziale Entwicklung beeinträchtigen.