Schwerpunkt Selbsthilfegruppen
Alkoholismus – Einsamkeit im Lockdown führte zu Rückfällen

Die Isolation während der Pandemie setzte ehemaligen Abhängigen stark zu – die Rückfallquote bei Alleinlebenden ist hoch. | Foto: Foto: Fotolia/Ned White
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  • Die Isolation während der Pandemie setzte ehemaligen Abhängigen stark zu – die Rückfallquote bei Alleinlebenden ist hoch.
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Selbsthilfegruppen sind für Ex-Alkoholabhängige eine wichtige Stütze. Im Lockdown waren Treffen nicht möglich. Die Einsamkeit erhöhte die Rückfallwahrscheinlichkeit – Online-Treffen können da nur bedingt helfen und erreichen nicht alle. 

LINZ. "Der Alkoholismus quält sehr in dieser Zeit", sagt Werner. Er will nur beim Vornamen genannt werden. Seit mehr als 30 Jahren ist er trocken. Mittlerweile leitet er eine Gruppe der Anonymen Alkoholiker (AA) in Linz und unterstützt andere beim Überwinden ihrer Suchterkrankung. Durch die Corona-Pandemie konnten fast das gesamte letzte Jahr über keine persönlichen Treffen stattfinden. Diese sind aber für viele ehemalige Abhängige eine wichtige Stütze. "In der Therapie nach einer Entwöhnung ist die Nachbetreuung extrem wichtig", weiß auch Werner. Die AA versuchten, wie viele andere Selbsthilfegruppen auch, zumindest Online-Treffen über Zoom abzuhalten.

"Zu manchen ist der Kontakt abgebrochen"

"Zu manchen ist der Kontakt während der Pandemie allerdings komplett abgebrochen", bedauert Werner, "da wir auch untereinander oft anonym sind, konnte ich einige nicht mehr erreichen." Die technischen Hürden hätten auch einige Teilnehmer abgeschreckt. Doch auch das genaue Gegenteil ist eingetreten. "Zwei junge Menschen, die vorher noch nie bei einem AA-Treffen waren, sind in unser Zoom-Meeting gekommen. Die wären wahrscheinlich nicht in eine normale Gruppe gegangen", berichtet Werner. Den Jüngeren fällt der digitale Austausch offenbar einfacher.

"Uns ist aufgefallen, dass stabile Patienten, die alleine leben, rückfällig geworden sind", sagt auch Kurosch Yazdi, Vorstand der Klinik für Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin am Neuromed Campus. | Foto: NMC
  • "Uns ist aufgefallen, dass stabile Patienten, die alleine leben, rückfällig geworden sind", sagt auch Kurosch Yazdi, Vorstand der Klinik für Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin am Neuromed Campus.
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"Die Rückfallquote ist grundsätzlich hoch"

"Bei Alkoholismus ist die Rückfallquote grundsätzlich hoch", erzählt Werner. Die Einsamkeit durch den Wegfall vieler Sozialkontakte und der psychische Stress durch die Corona-Pandemie setzten ehemaligen Abhängigen besonders zu. Werner kennt persönlich einen Fall, der durch den Lockdown und die damit verbundene Isolation wieder mit dem Trinken begonnen hat. "Ihm ist neben den Treffen mit den AA auch der Kontakt mit seinem Sportverein weggebrochen. Das hat er auf Dauer nicht ausgehalten."

"Einsamkeit ist ein großes Problem"

Den persönlichen Eindruck von Werner kann Kurosch Yazdi, Vorstand der Klinik für Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin am Neuromed Campus, nur bestätigen. "Uns ist aufgefallen, dass in den letzten Monaten Patienten, die stabil waren, rückfällig geworden sind", so der Mediziner, "allerdings nur jene, die alleine gelebt haben. Die Einsamkeit ist also hier ein großes Problem." Um seine Patienten während der Corona-Pandemie besser auffangen zu können wurde auf Yazdis Station jetzt die telefonische Nachbetreuung für Alleinlebende verstärkt. Außerdem bekämen sie einfacher wieder einen Platz in der Tagesklinik. Den Wegfall der Selbsthilfegruppen sieht Yazdi ebenfalls problematisch: "Sie sind eine wichtige Stütze, besonders für Menschen mit Suchterkrankungen."

"Wünschenswert wäre, wenn Selbsthilfegruppen und Selbsthilfeorganisationen als systemrelevant anerkannt würden, damit sie ihre Gruppentreffen auch unter Lockdown-Bedingungen abhalten können" – Oskar Meggenender, Obmann Selbsthilfe OÖ

Selbsthilfe ist systemrelevant

"Wünschenswert wäre, wenn Selbsthilfegruppen und Selbsthilfeorganisationen als systemrelevant anerkannt würden, damit sie ihre Gruppentreffen auch unter Lockdown-Bedingungen abhalten können", meint auch Oskar Meggeneder, Obmann des oberösterreichischen Dachverbands der Selbsthilfegruppen (Selbsthilfe OÖ). Während der Recherche zu diesem Artikel wurden Treffen von Selbsthilfegruppen unter Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen (FFP2-Maske und zwei Meter Mindestabstand) für den Moment wieder erlaubt. Werner freut sich schon auf ein persönliches Wiedersehen mit seinen Gruppenkollegen, Zoom-Meetings wird es weiterhin parallel geben.

Beratungsstellen

Anonyme Alkoholiker (AA)
Tel.: 0664/2072020
ooe@anonyme-alkoholiker.at
anonyme-alkoholiker.at

Alkoholberatung Land OÖ
Tel.: 0664/60072 - 89563
alkoholberatung@ooe.gv.at
land-oberoesterreich.gv.at/32126

Alkoholberatungsstelle Linz
Tel.: 0732/776767370
abs@b37.at
b37.at

Blaues Kreuz Österreich
Tel.: 0660/2124621
s.kindsthaler@gmail.com
blaueskreuz.at

Gemeinschaft entwöhnter Alkoholiker (GEA)
Tel.: 0732/382092
alkoholhilfe@geaclub.at
geaclub.at

Al-Anon
Tel.: 0676/9388856
kontakt.mitte@al-anon.at
al-anon.at

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Die Isolation während der Pandemie setzte ehemaligen Abhängigen stark zu – die Rückfallquote bei Alleinlebenden ist hoch. | Foto: Foto: Fotolia/Ned White
"Uns ist aufgefallen, dass stabile Patienten, die alleine leben, rückfällig geworden sind", sagt auch Kurosch Yazdi, Vorstand der Klinik für Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin am Neuromed Campus. | Foto: NMC
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