Als Linzer auf Linzer schossen
Heuer jährt sich zum 80. Mal der Bürgerkrieg. Ein neues SPÖ-Projekt visualisiert die Kämpfe in Linz.
„Ja Dirndl, was tust denn du da auf der Straße. Hörst du es nicht schießen? Es wird echt geschossen. Wir haben Krieg“, bekam die damals 14-jährige Leopoldine Feichtinger von einem Passanten zu hören, als sie am 12. Februar 1934 beim Urnenhain in Urfahr unterwegs war, um Lebensmittel zu holen. Die Dimension der Ereignisse wurde der vor einer Woche verstorbenen Linzer Arbeiterin erst Jahre später bewusst. Wie sie dem Historiker Walter Kohl erzählte, weckte der Bürgerkrieg vom Februar 1934 Feichtingers politisches Interesse. Weswegen sie sich später für die Demokratie und parteipolitisch in der SPÖ engagierte.
"Demokratie ist nicht selbstverständlich"
80 Jahre später sind die Kampfhandlungen zwischen dem „roten“ Schutzbund und den „schwarzen“ Heimwehren beziehungsweise dem Dollfuß-Regime breit wissenschaftlich aufgearbeitet. „Demokratie ist nicht selbstverständlich. Außerdem sollte man die Orte, an denen man wohnt, mit ihrem historischen Bezug kennen“, sagt Georg Hubmann, Geschäftsführer vom Marie Jahoda-Otto Bauer Institut. Was auch der Ausgangspunkt für die neue Internetseite 12februar1934.at war. Auf der interaktiven Seite kann man sich auf einer historischen Linzkarte durch die Geschehnisse im Februar 1934 klicken. Vom Beschluss Richard Bernascheks, dem oberösterreichischen Kommandanten des Schutzbundes, sich mit Waffengewalt zu wehren, bis zur Kapitulation am 13. Februar werden die Auseinandersetzungen fast minutiös dargestellt. Ausgangspunkt der Kämpfe war das damalige Hotel Schiff in der Landstraße 36, dem heutigen Sitz der SPÖ-Landespartei. „Auf der Seite wird die Perspektive jener Menschen gezeigt, die sich damals für die Demokratie eingesetzt haben“, sagt Hubmann. Sowohl mit der Internetseite als auch mit begleitenden Diskussionsveranstaltungen zeigt die SPÖ die Hintergründe des Bürgerkrieges vor 80 Jahren auf und diskutiert, was eine lebendige Demokratie braucht.
Termine:
Sonntag, 9. Februar 2014, 10.00 Uhr, Central, Landstraße 36, 4020 Linz
Buchpräsentation "Das austrofaschistische Herrschaftssystem. Österreich 1933-1938" mit Emmerich Tálos und Brigitte Kepplinger. Um Anmeldung wird gebeten unter anmeldung@ooe.spoe.at oder 05 77 26 11 11
Dienstag, 11. Februar 2014, 19.30 Uhr, Central, Landstraße 36, 4020 Linz
Podiumsgespräch "Demokratie unter Druck?! Der Februar 1934 und heute"
Einleitung: Nationalratspräsidentin Barbara Prammer
Mit Brigitte Kepplinger, Imma Palme, Sepp Wall-Strasser und Leonhard Dobusch. Um Anmeldung wird gebeten unter gabriela.carpella@spoe.at oder 05 77 26 11 16
Mittwoch, 12. Februar 2014, 17.00 Uhr, Central, Landstraße 36, 4020 Linz
Gedenkkundgebung im ehemaligen "Hotel Schiff"
Mit Reinhold Entholzer, Klaus Luger, Laurien Scheinecker, Peter Bernaschek und Gerhard Botz
Um Anmeldung wird gebeten unter anmeldung@ooe.spoe.at oder 05 77 26 11 11
Hintergrund des Bürgerkrieges 1934
Im Februar 1934 begann in Linz der bisher einzige österreichische Bürgerkrieg. Schon Jahre zuvor hatte es zwischen der Arbeiterbewegung und den konservativen Kräften einen „latenten Bürgerkrieg“ gegeben. Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelten sich in beiden politischen Lagern paramilitärische Wehrverbände. Durch die Ausschaltung des Parlaments und somit auch der Demokratie 1933 und die laufenden Durch-suchungen bei sozialistischen Gruppierungen entbrannten im Februar 1934 schließlich die Kämpfe. Linzer schossen auf Linzer. Insgesamt starben beim Bürgerkrieg in Linz 13 Menschen. Der Schutzbündler Anton Bulgari wurde hingerichtet. Während die Auseinandersetzung in Linz von 12. bis 13. Februar dauerte, wurde in Wien noch bis 15. Februar gekämpft, bevor auch dort die Arbeiter kapitulierten und den Kampf um die Demokratie verloren.
KOMMENTAR: Sich der zweiten Chance bewusst sein
Neben posttraumatischen Störungen gibt es in der Psychologie auch das posttraumatische Wachstum. Statt an einem tragischen Ereignis zu zerbrechen, schaffen es die Betroffenen, daran zu wachsen. Klassisches Beispiel: Nach einem Herzinfarkt begreift man das Überleben als zweite Chance. Ähnlich kann man es mit der Demokratie sehen. Damit sie gesund bleibt, braucht sie Pflege. Der Februar 1934 war wie ein Herzinfarkt für die Demokratie. Der folgende Ständestaat und der Zweite Weltkrieg gleichen einem mehrfachen Organversagen. Die Wiederbelebung hat glücklicherweise funktioniert. Dank der Gewalt-erfahrungen unter den Regimes haben sich die Parteien nach 1945 zusammengerauft und eine Demokratie entstehen lassen. Sich regelmäßig des „Herzinfarktes“ 1934 und der Gewalt zu erinnern hilft dabei, die Demokratie wertzuschätzen und zu pflegen.
Weitere Infos, Quellenhinweise, Literatur und Links zu Videos finden Sie auf 12februar1934.at
Dazu schareiben, dass es auf 12februar1934.at noch mehr Quellen gibt.
Fotos: Archiv der Stadt Linz
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