„Das tun, vor dem man Angst hat“
Warum wir heute mehr Angst vor dem Versagen haben und was junge Menschen ängstigt, erzählt Sigrid Unterstab-Hacker, Psychosoziale Beraterin und Psychotherapeutin bei Exit-sozial, im Interview und beim Gesundheitstag am 5. Juni im Psychosozialen Zentrum Linz-Urfahr.
Mit welchen Ängsten kommen Menschen häufig zu Ihnen?
Sigrid Unterstab-Hacker: Oft sind es soziale Ängste, die zu Einsamkeit führen oder es ist die Angst vor Abwertung und persönlich verletzt zu werden, was Beziehungen unmöglich machen kann.
Haben die Menschen heute mehr Angst oder andere Ängste als früher?
Ich glaube nicht, dass die Ängste mehr geworden sind, aber andere. Weil wir heute eine sehr wohlhabende Gesellschaft sind, haben wir mehr Angst, etwas zu verlieren, etwa unsere Arbeit oder den sozialen Status. War es in den 80er-Jahren die Angst vor Atomkrieg und Umweltkatastrophen, ist es heute eher die Angst zu versagen oder zu wenig attraktiv zu sein.
Machen also die Bilder von perfekten, schönen Menschen in den Medien Angst?
Na ja, vielleicht so: Wenn heute junge Menschen dank Smartphone ständig Idealbilder vor Augen bekommen, dann kann das schon Angst machen, nicht schön genug zu sein. Burschen gehen dann viel ins Fitness-Studio und Mädchen überlegen schon mit 15 eine Brust-Korrektur. Das ist ein Unsinn!
Gibt es andere Ängste, die Sie bei jungen Menschen häufiger beobachten?
Die Angst, „Opfer“ zu sein, also sich schwach und hilflos zu zeigen, bemerke ich immer wieder. Auch die Angst, sich zu blamieren, ist gewachsen. Damit wird Mobbing leider besonders wirkungsvoll.
Wenn nun jemand Angst hat, etwa unter Menschen zu sein oder jemanden anzusprechen, was würden Sie dem Menschen raten?
Unnötige Ängste muss man konfrontieren, um diese zu verlieren. Nicht nur darüber reden, sondern auch tatsächlich das tun, vor dem man Angst hat. Das heißt: Die Angstspannung aushalten und sich immer wieder sagen: „Das ist jetzt eine Reaktion meines Körpers, meiner Psyche – und es geht vorbei!“ Denn mein Organismus reagiert, als wäre ich wirklich in Gefahr. Dabei ist es eine ganz normale Alltagssituation. Und mit der Zeit lernt mein Hirn, dass diese Angst-Situation harmlos vorübergeht, es verlernt die Angst. Das gilt grundsätzlich auch für Panik-Attacken, die aber freilich viel unangenehmer sind.
Und was sollte der Betroffene keinesfalls tun?
Die Angstsituation vermeiden. Denn das ist eines der größten Probleme bei zu viel Angst: Betroffene gehen nicht mehr aus dem Haus, meiden Kontakte, trauen sich keine neuen Aufgaben zu oder fahren nicht mehr mit dem Auto. Damit verfestigt sich die Angst und führt zu vielen neuen Problemen.
Gesundheitstag
Mehr Wissenswertes zum Thema „Angst und Panik“ erfahren Sie am „Gesundheitstag für die Seele“ – eine Kooperation von Exit-sozial und der StadtRundschau. Der Gesundheitstag findet am Donnerstag, 5. Juni, ab 17 Uhr, unter dem Motto „Angstkompetenz entwickeln, Chancen ergreifen, Hilfe finden“ im Psychosozialen Zentrum von Exit-sozial in der Wildbergstraße 10a statt.
Infos: www.exitsozial.at
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