Interview
"Es wird Zeit, über den Tod zu sprechen"

- Nicole Honeck arbeitet gerne an Schnittstellen, um gesellschaftlich relevante Themen sichtbar zu machen, andere Blickwinkel zu offenbaren und Menschen zu erreichen.
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Nicole Honeck vom Verein "sagbar" spricht über das Tabuthema Sterben, die Bedeutung von Trauerarbeit und neue Formen der Friedhofskultur.
LINZ. Der Verein "sagbar" wurde von Nicole Honeck und Verena Brunnbauer gegründet und agiert an der Schnittstelle zu Kunst und Kultur und von Trauerarbeit. Er will Perspektiven und Angebote zu schaffen, sich mit dem Thema der Vergänglichkeit auseinander zu setzen.
Sie sagen: „Es wird Zeit über den Tod zu sprechen“. Warum eigentlich?
Der Tod ist in unserer Gesellschaft ein sehr tabuisiertes Thema. Das war nicht immer so. Früher wurden die sterbenden Menschen aktiv begleitet und auch noch Zuhause aufgebahrt, so dass man Abschied nehmen konnte. Das ermöglicht einen natürlicheren Umgang mit dem Thema. Derzeit brechen zwar Bestattungsriten wieder ein wenig auf – neben der katholischen Beerdigung ist ein Trend zur Verbrennung zu spüren. Die Wünsche werden individueller. Das ist sehr zu begrüßen, dennoch wird noch viel zu wenig über den Tod gesprochen. Er wird gerne verschwiegen oder mit Sarkasmus abgetan.
Wie kann man dem Tod mit Leichtigkeit begegnen?
In einem akuten Verlustmoment ist das eher schwierig. Wenn man sich aber grundsätzlich mit der Frage des Sterbens auseinandersetzt, findet man die kleinen Momente der Freude auch in tragischen Situationen. Es würde uns allen nicht schaden, sich zwischendurch die Fragen zu stellen, denen wir gekonnt ausweichen, wie: Was wäre, wenn ich morgen oder in drei Wochen sterbe? Habe ich alle Dinge erreicht, die ich gerne im Leben erreicht hätte? Wen lasse ich zurück? Gibt es Schritte, die ich jetzt setzen kann, um einen möglichen Abschied für alle zu erleichtern? Gibt es ungeklärtes in meinem Leben? Das heißt nicht, dass alles erledigt werden muss, aber es hilft, die Entscheidungen nochmals oder überhaupt bewusst in die eine oder andere Richtung für sich selbst zu treffen. Und dann wird man leicht ...
Wie wichtig ist ein „Abschiedsritual“ für die Hinterbliebenen?
Das kann nicht pauschal beantwortet werden, da jeder Mensch etwas anderes braucht, um sich zu verabschieden. Es wichtig, sich die Zeit zu nehmen, um darüber nachzudenken. Ich persönlich verabschiede mich gerne noch in irgendeiner Form am Körper. Der darf bereits im Sarg liegen, ich muss ihn auch nicht unbedingt anschauen oder berühren. Am gleichen Ort zu sein, gibt mir das Gefühl, dass ich mich noch von der tatsächlichen Person verabschieden kann. Beim letzten Todesfall fand ich nur eine Urne vor, da habe ich mich tatsächlich ein wenig um den Abschied betrogen gefühlt. Natürlich haben oberste Priorität die Verwandten und unmittelbaren Betroffenen und deren Bedürfnisse. Es war einfach eine Beobachtung von und an mir.

- Nicole Honeck und Verena Brunnbauer wollen einen leichteren Umgang mit dem Sterben unterstützen.
- Foto: BRS/Diabl
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Wie ist es um die Friedhofskultur in Österreich bestellt?
In Österreich ist die Friedhofs- oder Bestattungskultur noch eher konservativ. Wenn ich über die Landesgrenzen schaue, gibt es viel mehr Beispiele, wie Friedhöfe auch als Parks öffnen, mit kleinen, feinen Gastronomien. Das gibt es in Österreich nur vereinzelt. Die Friedhofskultur ist aber grundsätzlich im Umbruch, da der Trend zu Verbrennungen viele Grabflächen frei werden lässt. Am Barbarafriedhof wurden in diesem Jahr 50 Bäume gepflanzt. Ich fände es schön, wenn Friedhöfe irgendwann zu permakulturellen Gärten werden, die wenig Aufwand in der Pflege bedeuten, dafür aber Erträge für die lebenden Menschen liefern. Ein tatsächlich erfahrbarer Kreislauf.
Gibt es andere Kulturen, von denen man sich was abschauen kann?
Die bekannteste ist wohl die mexikanische Kultur, in der die Gestorbenen aufgebahrt sind und jede Person die Möglichkeit hat, sich zu verabschieden. Da wird gelacht, getanzt und geweint. Das würde ich mir wünschen. Schön sind auch die verschiedenen Möglichkeiten, wie einen Baum in der Asche zu pflanzen oder die Asche an Lieblingsorten verstreuen zu dürfen. Hier ist die Schweiz sehr offen. In Österreich sind zumindest diese beiden Möglichkeiten verboten.
Wie hat sich der Umgang mit Sterben in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert?
Die Digitalisierung hat auch vor dem Sterben nicht haltgemacht. Mittlerweile kann eine Bestattung online bei sehr hoher Preistransparenz gebucht werden. Es gibt elektronische Kondolenzbücher, Trauernde können Kerzen im Internet entzünden. Dennoch braucht es natürliche Ansprechpersonen, die die Zeremonie in einer Verabschiedungshalle, in der Kirche oder auch am Friedhof umsetzen und die Menschen begleiten. Die Kirche hat an Einfluss verloren. Mittlerweile lassen sich immer mehr Menschen verbrennen. Das heißt nicht, dass die Menschen jetzt weniger glauben, aber die Varianten der Glaubensrichtungen sind jetzt sichtbarer und natürlich gibt es auch die Menschen, die an nichts glauben, außer an das Jetzt.
Was macht Ihr Verein genau?
Unter dem Überthema "Death Positiv" versuchen wir, verschiedene Perspektiven und Angebote zu schaffen, sich mit dem Thema der Vergänglichkeit auseinander zu setzen. Das kann eine kleine feine Bibliothek sein, ein Weiterbildungsangebot für Bestatter, um kompetent als Redner auftreten zu können, klassische Dienstleistungen wie Trauerreden oder einfach auch nur eine Zuhörerstunde. Projekte, die sich künstlerisch und gesellschaftspolitisch mit den Themen Tod und Trauer auseinandersetzen, bieten wiederum ganz andere Einstiegsangebote ins Thema. Gerne begleiten wir auch Verabschiedungen mit der Sargbar auf dem Friedhof, inklusive kleiner Popup Agape.


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