Linza G‘schichten
Franckviertel – Hacklergegend mit Herz
Das ehemalige Industrie- und Glasscherbenviertel zwischen Mühlkreisautobahn und Westbahntrasse hat Arbeitertradition und Sinn für Soziales. Beim Abendspaziergang erkunden wir das Grätzel.
LINZ. "Hier geht es sehr familiär zu – jeder kennt jeden, wie in einem Dorf", so beschreibt Erika Thurner das Franckviertel – den schlechten Ruf habe es zu Unrecht und sei eine der sichersten Gegenden. Seit 2007 betreibt sie am Anfang der Franckstraße ein kleines Geschäftslokal. Zu ihr kommen die Nachbarn gern, wenn sie eine Kopie, eine Übersetzung oder einen Ratschlag brauchen. "Wir kennen uns alle und kommen gut miteinander aus", sagt Thurner. Ihr gefällt der Kontakt mit den Menschen in der Nachbarschaft, das merkt man. Um sichtbar zu machen, was sich alles im Grätzel tut, rief sie vor ein paar Jahren die Website unserfranckviertel.at ins Leben. Eigentlich vermietet sie Stretchlimousinen für Geburtstage, Hochzeiten und ähnliche Anlässe.
Von der Matratzenfabrik zum Kunstraum
Ein Stück weiter die Franckstraße hinunter ist vor fünf Jahren der Kulturverein Schlot in die leerstehende Matratzenfabrik eingezogen. Gründerin und Glaskünstlerin Birgit Koblinger hat sich in die Räumlichkeiten verliebt und ist seitdem mit ihrer glasskitchen dort zu Hause. Neun weitere Künstler nutzen aktuell die weitläufigen Fabrik-Räumlichkeiten als Atelier, Werkstatt oder Probenraum. Daneben veranstaltet der Verein Konzerte, Ausstellungen und beteiligt sich an den Aktivitäten des Stadtteilzentrums. Vor kurzem fand im Schlot das monatliche Stadtteil-Frühstück statt.
Leistbares Wohnen im Genossenschaftsbau
Dieses nutzen die alteingesessenen "Franckviertler" zum regelmäßigen Austausch. "Das hat uns sehr gefreut, denn leider kommen zu unseren Veranstaltungen die Leute eher von außerhalb des Viertels", so Koblinger, "obwohl wir meistens keinen Eintritt verlangen, da wir Kultur für alle anbieten wollen." Von den zehn Künstlern lebt derzeit zwar keiner in der Gegend, aber die Studenten entdecken das Franckviertel für sich. Freie Wohnungen und leistbare Mieten seien der Grund - wie überall. Neben den kleinen Häuschen in den Seitenstraßen dominieren große Genossenschaftsbauten unterschiedlicher Jahrzehnte den Stadtteil.
Soziales Engagement im Viertel
2015 eröffnete das Stadtteilzentrum Franckviertel. Soziale Aktivitäten wie das Stadtteil-Frühstück gehören genauso zu seinen Aufgaben wie die Unterstützung bei Anträgen – Mindestsicherung, Heizkostenzuschuss oder sonstige soziale Dienste. Smartphone-Schulungen für Senioren, Kooperationsprojekte mit Schulen und Altersheimen, Müllsammelaktionen und ähnliche Initiativen binden die Bewohner des Viertels aktiv mit ein. Das Soziale ist den Franckviertlern wichtig. Als letztes Jahr ein Bewohner allein in seiner Wohnung verstarb und erst Wochen später entdeckt wurde, war das ganze Viertel schockiert, so etwas darf hier nicht noch einmal passieren.
Dorfplatz und Wirtshaus
Betrachtet man das Franckviertel als Dorf, dann wäre der Brunnenplatz in der Wimhölzelstraße der Dorfplatz, das "Gasthaus Union" das Dorfwirtshaus und Charly der Wirt. Prominent in die 1931 erbaute architektonisch ansprechende Wohnanlage "Wimhölzel-Hinterland" eingebettet, erfüllt es diesen Zweck. Im Gastgarten sind an diesem sommerlichen Abend fast alle Plätze besetzt. "Alles Nachbarn und Stammgäste", bestätigt Charly. 2014 hat er gemeinsam mit "seiner Chefin" das Lokal übernommen. Er serviert gutbürgerliche österreichische Küche und erlaubt seinen Gästen das Rauchen.
Angst vor Veränderung
Charly kennt sie alle beim Namen und quittiert jede Bestellung mit einem zackigen "Jawohl". "Das ist mir bis heute von meiner Ausbildung zum Koch beim Bundesheer geblieben", erklärt der gebürtige Leondinger. Veränderungen mag er nicht sonderlich. Ihn stören der anstehende Abriss und Neubau der Wohnanlagen eine Straße weiter, der Zuzug von Menschen, die nicht in Österreich geboren sind und, am meisten, das drohende Rauchverbot. "Das ist existentiell für mich. Da kommen die Leut' nicht mehr", befürchtet Charly. Darum wählt er auch die FPÖ. "Das sind die Einzigen, die sich dagegen einsetzen."
Abends im Viertel
Mittlerweile ist es dunkel im Viertel. In den Gastgärten der wenigen Lokale entlang der Franckstraße ist nicht viel los. An der Ecke Stiegelbauernstraße im "Café Pegast" sind zumindest zwei Tische besetzt und drinnen läuft Bon Jovi.
Chefin Nadja stammt aus Tschechien und ist seit vier Jahren in Österreich. Auch hier alles Stammpublikum aus der Nachbarschaft. Franzi wohnt seit zehn Jahren im Franckviertel und trinkt im Pegast meistens ihr Feierabendbier.
Sie arbeitet als Maler- und Anstreicher und bezeichnet sich selbst als Hacklerin. Im Viertel schätzt die gebürtige Tirolerin den familiären Umgang. Außerdem gefällt ihr, dass es soviel Grün in der Gegend gibt. Den Sternpark, die Schrebergartensiedlung und die großen Grünanlagen bei ihr in der Siedlung. "Ein Glück, dass diese beim Neubau erhalten bleiben. Das war mir besonders wichtig", freut sich Franzi.
Erfolgreiche Bürgerinitiative
Durch eine Bürgerinitiative, an der sie auch beteiligt war, wurden die Wünsche der Bewohner von "Wimhölzel-Hinterland" berücksichtigt und von der Wohnungsgenossenschaft in die Planung miteinbezogen. 2020 wird mit dem etappenweisen Abriss begonnen, mehr als 400 Wohnungen entstehen bis 2028, die alten Mieter dürfen bleiben. "Jetzt sind alle zufrieden und freuen sich auf die neuen Wohnungen. Hoffentlich ziehen viele junge Leute hierher. Das täte dem Viertel gut", so Franzi optimistisch.
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