Martha Kulka
Trotz allem in Linz geblieben
Die erste von 18 Gedenkstelen erinnert an sieben jüdische Linzerinnen und Linzer, die in der näheren Umgebung gelebt haben und Opfer des Nationalsozialismus wurden. Nur eine von ihnen überlebte den NS-Terror: Martha Kulka. Ihre Lebensgeschichte wurde von der Historikerin Verena Wagner erforscht.
LINZ. Nach der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen im Mai 1945 machte sich eine 42-jährige Frau zu Fuß auf den Weg in ihre Heimatstadt Linz. Ihr Zustand war erbärmlich. Buchstäblich auf allen vieren kam Martha Kulka in Urfahr an und blieb völlig erschöpft auf der Hauptstraße liegen. Vermutlich wäre sie hier gestorben, wenn nicht der Zufall geholfen hätte: Eine ehemalige Hausangestellte ihrer Familie hat sie – obwohl nur mehr Haut und Knochen – erkannt, mitgenommen und zu einer Familie gebracht, die sie aufgepäppelt und gerettet hat.
Verheiratet mit einem Nazi
In den Jahren zuvor brachte Martha Kulka ein Odyssee hinter sich, die viele jüdische Biografien dieser Zeit prägen. Geboren wurde sie 1903 als Martha Fürnberg in Linz. Sie wuchs in der Neugasse 7 in Alt-Urfahr, unweit des heutigen Bernaschekplatzes, auf. Das Haus hatte ihr Vater, ein Lederhändler, erbaut. Martha genoss eine bürgerliche, hochstehende Bildung in einem Mädchengymnasium. Sie heiratete einen gewissen Ignaz Uhl, der sich – kaum war Hitler an der Macht – als Nationalsozialist entpuppte und die Scheidung einreichte.
Flucht nach Prag
Nachdem der Vater in den 1930er-Jahren gestorben war, blieb Martha mit ihrer Mutter Jenny zurück. Mit der Machtübernahme der Nazis wurden beide aus Linz vertrieben. Sie flüchteten nach Prag und versuchten sich dort irgendwie über Wasser zu halten, etwa als Friseurin. In Prag lernte sie auch ihren zweiten Mann, einen Zahnarzt, kennen. Doch das Glück währte nicht lange. 1942 wurden alle drei ins KZ Theresienstadt deportiert.
"Freiwillig" nach Auschwitz
Dort blieben sie eine Zeitlang, bis ihr Mann nach Auschwitz transportiert werden sollte. Martha stand nicht auf der Liste, wollte ihn aber nicht alleine gehen lassen. Sie meldete sich freiwillig und begleitete ihren Mann. Die Mutter blieb in Theresienstadt zurück. Angekommen in Auschwitz wurde das Ehepaar bereits auf der berüchtigten Rampe getrennt. Ihr Mann wurde unmittelbar in der Gaskammer ermordet. Martha, die davon nichts erfahren hatte, musste Zwangsarbeit leisten. Nach dem russischen Vormarsch wurde sie erst in eine Fabrik in Sachsen verlegt und schließlich auf einem offenen Güterwaggon nach Mauthausen verbracht, wo sie kurz darauf befreit wurde.
Engagiert in der Kultusgemeinde
Erst nach der Rückkehr nach Linz hat Martha Kulka erfahren, dass ihr Mann umgebracht wurde und auch ihre Mutter nicht überlebt hat. Trotz all dieser Schicksalsschläge blieb sie in Linz und gestaltete die Stadt aktiv mit. Sie engagierte sich in der Israelitischen Kultusgemeinde. Vom Land Oberösterreich wurde sie sogar in der Opferfürsorge beauftragt. Doch noch einen Schicksalsschlag musste sie verkraften. Um zu arbeiten überquerte sie regelmäßig die Nibelungenbrücke, der Übergang von der sowjetischen zur amerikanischen Besatzungszone. Einmal hat sie ein russischer Soldat mitgenommen und unter der Brücke vergewaltigt. Den Mut hat sie aber nie verloren.
Bis zum Tod in Linz
Das Haus ihrer Familie steht noch heute. Kulka musste lange kämpfen, um es zurückzubekommen. 1987 ist sie in Linz gestorben. Nun steht ihr Name gleich in der Nähe auf der Stele im Bernaschekpark, gemeinsam mit dem ihrer ermordeten Mutter und fünf anderen jüdischen NS-Opfern. Man kann symbolisch bei ihr klingeln und sich an eine große Linzerin erinnern.
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